Zu modern für das Nachkriegsdeutschland: Hildegard Knef, Foto: Privatarchiv Hildegard Knef

Ich will alles. Hildegard Knef

Luzia Schmid zeigt die Schauspielerin und Sängerin als Meisterin im Umgang mit Sprache

»Sie machen aus mir 24 Personen auf einmal, damit können Sie einen Ballsaal füllen«, sagt Hildegard Knef in schnoddrigem Tonfall, als der TV-Moderator ihr mit einer Salve an Adjektiven zu Leibe rückt: naiv, berechnend, trotzig, Geborgenheit suchend, unsentimental, tapfer, gelegentlich verzweifelt. Vermutlich gab es in der Geschichte der bundesrepublikanischen Unterhaltungskultur keinen Star, an dem so viele, teils böswillige Zuschreibungen hafteten wie an Hildegard Knef.

Mit ihrer Rolle im ersten deutschen Nachkriegsfilm, Wolfgang Staudtes »Die Mörder sind unter uns« (1946), wurde sie als weiblicher »Trümmerstar« gefeiert, bevor sie nach ihrer gescheiterten Karriere in Hollywood als »Die Sünderin« (1950) in Willi Forsts gleichnamigen Skandalfilm regelrecht an den Pranger gestellt wurde. Die Proteste nahmen ein fanatisches Ausmaß an und reichten von verbarrikadierten Kinos über Aufführungsverbote bis hin zu Klageverfahren beim Bundesverwaltungsgericht. Offensichtlich war die Knef im geschichtsverdrängenden Nachkriegsdeutschland schlichtweg zu konfrontativ und modern. Ihre Lebensgeschichte ist unweigerlich mit der Mentalitätsgeschichte der Nachkriegsjahre verknüpft.

Die Kölner Regisseurin Luzia Schmid erzählt in ihrem Dokumentarfilm »Ich will alles. ­Hildegard Knef« das Leben der Ikone überwiegend in ihren eigenen Worten. Material gibt es in Fülle. Knef stand bereits Jahrzehnte vor der Erfindung sozialer Medien im ständigen Kontakt mit der Öffentlichkeit, gab bereitwillig Interviews und schrieb Bücher über ihr Leben. Auch die Texte ihrer Lieder lassen sich autobiografisch lesen. Das Voiceover im Film, gesprochen von Nina Kunzendorf, stammt zum großen Teil aus ihrer Autobiografie »Der geschenkte Gaul«, in der sie offen Auskunft über ihre Krisen gab. Andere Facetten ihrer Persönlichkeit kommen in Interviewszenen mit Knefs Tochter Christina Palastanga und ihrem letzten Lebenspartner Paul von Schell zum Tragen. Das dominante Thema ist aber auch hier Knefs unermüdlicher Arbeitseifer und eine Ethik des Durchhaltens. Ihre Kriegserfahrungen betrachtete sie Zeit ­ihres Lebens als eine Schule des Überlebens.

»Ich will alles. Hildegard Knef« wird vor allem durch das Archivmaterial getragen. Fast noch mehr Eindruck als ihre Auftritte auf Bühne und Leinwand hinterlassen ihre Fernsehinterviews. Sätze wie: »Das Leben ist unordentlich« zeigen sie als Meisterin des disziplinierten, auf den Punkt gebrachten Sprechens.

D 2025, R: Luzia Schmid, 90 Min.