Leben im Bunker: Tilda Swinton, Foto: Felix Dickinson, NEON

The End

Joshua Oppenheimer trotzt der Apokalypse mit einem Musical

Wenn die Welt ihrem Ende entgegengeht, kann man auch einfach singen. Das scheint der Ansatz von Joshua Oppenheimer gewesen zu sein, der mit »The End« seinen ersten Spielfilm gedreht hat, eine Art Endzeit-Musical mit Starbesetzung, vielen Ideen und ebenso vielen Längen.

Bekannt ist Oppenheimer durch seine beiden Filme »The Act of Killing« und »The Look of Silence« geworden, im weitesten Sinne Dokumentarfilme, die allerdings weit über eine enge Definition des Genres hinausgehen, sie hinterfragen und auflösen. Auch Musical-Elemente gehören zu den Stilmitteln, mit denen ­Oppenheimer in seinen früheren Filmen den dokumentarischen Ansatz aufbricht. So erzählt er über die Massaker, die die Militärdiktatur in Indonesien in den 60er Jahren verübte, vor allem aber über die Art und Weise, wie daran erinnert wird.

Und um Erinnerung geht es nun auch in »The End«, der ausschließlich in einem luxuriösen Bunker spielt. Hierhin hat sich eine sehr wohlhabende Familie seit einer globalen Katastrophe zurückgezogen, die sich vor 20 Jahren ereignet hat. Der Sohn (keine Figur trägt einen Namen), gespielt von George MacKay, kennt nur die Welt im Bunker. Alles, was er zu wissen glaubt, weiß er von seinen Eltern, gespielt von Tilda Swinton und Michael Shannon, was ihn quasi zu einem modernen Wiedergänger von Platons Höhlenbewohnern macht. Erst als überraschend eine junge Frau auftaucht, beginnt der Schleier sich ein wenig zu lichten, verändert sich der Blick des Sohnes auf die Welt, die er nie gekannt hat. Es stellt sich heraus, dass sein Vater vielleicht einen entscheidenden Anteil an der Katastrophe hatte.

Viele aktuelle Themen greift Oppenheimer auf, erzählt vom Umgang der Generationen mit den globalen Problemen unserer Zeit, von der Verantwortung der kapitalistischen Klasse, von Erzählungen, die die eigene Schuld kaschieren sollen. Und all das wird über weite Strecken mit Hilfe von Gesangsnummern verhandelt, die eher laienhaft anmuten: Tilda Swinton etwa besitzt fraglos viele Talente, Singen gehört nicht dazu — was bisweilen zu schmerzhaften Momenten führt. Ein ambitionierter Ansatz, vom Zustand der Welt zu erzählen, der mal besser, mal schlechter funktioniert, doch gerade das Singen und Tanzen verleiht dem zwangsläufig eher ausweglosen Ende von »The End« dann aber doch einen Funken Hoffnung.

DK/D/IR u.a. 2024, R: Joshua ­Oppenheimer, D: Tilda Swinton, George MacKay, Michael Shannon, 148 Min.