Gutes Fries, Schlechtes Fries
Biegt man, vom Dom oder Bahnhof kommend, in die Hohe Straße ein, kreuzt den Platz am Funkhaus und führt diesen Weg in die Straße »An der Rechtschule« weiter, dann gelangt man zum Museum für Angewandte Kunst Köln — MAKK und zu den Galerien Boisserée und Karsten Greve. Biegt man nochmal ab, schaut man auf die Interimstätte des Stadtmuseums. Gründe zuhauf, sich rund um die Minoritenkirche aufzuhalten.
Ein weiterer Grund ist hingegen so subtil gearbeitet, dass die meisten Vorbeihastenden ihn doch meist übersehen werden: das Fries »Renet« des deutschen Bildhauers Karl Hartung. Aus weißem Carrara gehauen, hängt es auf insgesamt 90 Meter Länge an der Fassade des WDR-Gebäudes. Zur Verschönerung dieses funktionalen Baus, der Schneideplätze, Studios und Sendetechnik beherbergt, beauftragte der WDR 1961 Hartung mit der Kreation dieser amorphen Wandstruktur.
Die für manche wie der moosbewachsene Boden eines Waldes an der Wand aussieht, für andere eher dem Blubbern der Lava in einem Vulkan gleicht. Diesen Assoziationen ist eine Nähe zu natürlichen Vorbildern gemein; außerdem lässt sich problemlos ein Brückenschlag zu den surrealistischen Formfindungen von Hans Arp, Henry Moore oder Barbara Hepworth tätigen. Gerade in seinem monumentalen Ausmaß bleiben die weit auseinanderliegenden Erhebungen gleichsam immer disparat, ergeben kaum ein zusammenhängendes Bild, sondern sind eher wie Inseln in einer Kette aufgereiht.
Karl Hartung (1908–1967), einer der bedeutendsten Vertreter der modernen Bildhauerei, konnte auch ganz anders, wie er nur wenige Meter entfernt von der Rechtschule bewies. Zwischen 1958 und ’59 entstand, ebenfalls für den WDR, am Filmhaus auf der anderen Seite der Nord-Süd-Fahrt, ein Fries in rotem Sandstein.
Hartung pflegte über Jahrzehnte eine Vorliebe für die etruskische Kultur, das Fries entsprach seiner Interpretation antiker, abstrakter Muster aus dem ersten Jahrtausend vor Christi Geburt. Bei der Renovierung des Filmhauses (ab 2018) wurde das Fries abmontiert und in Bocklemünd eingelagert, wo es seitdem versauert. Der WDR schreibt uns, dass die Stadt Köln zwar Interesse an der Übernahme des roten Hartung-Fries gezeigt hätte, sich aber danach kein neuer Sachstand ergeben habe. Bedeutet: Während das eine Fries in zurückhaltender Schönheit an der Rechtschule hängen darf, ist die Zukunft des anderen bislang ungeklärt. Zeit, dass sich das ändert!