Es war an der Zeit
Bei der New Yorker Künstlerin Amy Sillman (*1955 in Detroit) ist das bildnerische Werk stets im Fluss. Malerei kann sich zu Zeichnung, Zeichnung zu Animation, Text zu Bild wandeln. 1975 nach New York gezogen, begann sie ein Studium der Japanologie, wechselte später für das Studium der Illustration an die School of Visual Arts New York. Zu dieser Zeit schloss sie sich der feministischen Bewegung an, erwarb noch einen Master am renommierten Bard College und unterrichtete von 1997 bis 2013 selbst im Masterstudiengang Malerei.
Noch heute spielen Bild und Wort eine gleichrangige Rolle in ihren Werken, finden sich in der abstrakten Malerei untypische Cartoon-Elemente. Spielerisch bewegen sich ihre Arbeiten zwischen verschiedenen Medien und verbinden gestische Abstraktion mit figurativen Elementen, Humor mit feministischer Kritik.
So lassen sich in ihren Gemälden zuweilen Formen ausmachen — eine Hand, ein Fuß, eine vage angedeutete Figur —, die sich im nächsten Moment wieder aufzulösen scheinen. Denn Figuration und Abstraktion schließen sich für Sillman keineswegs aus. Obwohl sich die Künstlerin der Malerei mit analytischem Blick nähert, ist ihre Lust am Experiment unverkennbar. Ihre Arbeitsweise ist entsprechend von radikaler Offenheit geprägt: Gemälde werden übermalt, überarbeitet, dekonstruiert und wieder zusammengesetzt. Auch wenn sie durch Farb- und Formschichtungen malerische Konventionen herausfordern, bilden sie zugleich einen fortlaufenden Dialog mit kunsthistorischen Referenzen, insbesondere der amerikanischen gestischen Malerei der Nachkriegszeit.
Die unzähligen Schichten sind final zwar nicht direkt erkennbar, lassen sich jedoch anhand der Oberflächenstruktur erahnen. In Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern widmet das Ludwig Forum Aachen mit »Oh, Clock!« der New Yorker Künstlerin ihre erste umfassende institutionelle Einzelausstellung in Europa. Gemäß dem Titel spielt Zeit eine entscheidende Rolle in Sillmans Arbeiten, bilden ihre Malereien so etwas wie Zeitkapseln, die in Form von Werkgruppen zu Sequenzen choreographiert sind.
Im Anschluss an das Kunstmuseum Bern öffnet nun das Ludwig Forum mit »Oh, Clock!« Raum für Sillmans radikal offenen Ansatz, in dem Malerei nicht nur als statisches Objekt, sondern als beweglicher, prozesshafter Zustand erfahrbar wird.
Ludwig Forum Aachen, Jülicher Str. 97–109, 52070 Aachen, bis 31.8.; Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr