Keith Jarrett Anfang der 1970er: Fotos vom »Köln Concert« gibt es nicht

Wessen Geschichte?

Anmerkungen zu »Köln 75«, dem Musikfilm, der doch ­keiner sein möchte

Die Crew von »Köln 75« beteuert, dass ihr Film über das »Köln ­Concert« von Keith Jarrett am 24. Januar 1975 in der hiesigen Oper weder ein Musik- noch ein Jazzfilm sei. Bei der Köln-Premiere seines Films betont Regisseur Ido Fluk, dass er damit diejenigen feiern wolle, die ansonsten unsichtbar blieben. Man fragt sich indes, wie das gehen soll: einen Film über das Konzert eines exzentrischen Jazzpianisten zu drehen, der gar kein Musikfilm sein will, obwohl er doch auch die Genese von Deutschlands vielleicht »weltberühmtester« Jazzplatte zum Thema hat?

Der amerikanische Pianist und sein Produzent Manfred Eicher, Chef von ECM Records, hatten es abgelehnt, an »Köln 75« mitzuwirken. Auch zuvor schon haben sie sich nicht über diesen Abend ausgelassen — bis auf eine Äußerung Jarretts von 1992, wonach er rückblickend das Album am liebsten eingestampft gesehen hätte. Vera Brandes aber, die als 18-Jährige dieses Konzert veranstaltete, hat wohl ein »Endlich« ins Telefon geseufzt, als sie an­gefragt worden ist. Alles, was wir ­bereits über das »Köln Concert« und seine widrigen Umstände wissen, wissen wir von ihr.

»Köln 75« ­erzählt also wieder nur die Geschehnisse aus ihrer Sicht.Um Eicher und Jarrett ins Drehbuch zu bekommen, erfindet Fluk einen amerikanischen Musikjournalisten namens Michael Watts. Der wird zum imaginären Zeugen für den Teil der Geschichte, über den nur Eicher und Jarrett berichten könnten. Watts fährt mit beiden im R4 von Lausanne nach Köln. Dabei unterhalten sie sich über Musik und Jarretts ­Karriere — klischeehaft mit esoterischen Kalendersprüchen, von ­Eicher und Jarrett immer wieder mahnend unterbrochen, dass das Gesagte nicht veröffentlicht werden dürfe.

Als diese Truppe in Köln auf das Energiebündel Vera Brandes trifft, werden Eicher und Jarrett endgültig zu tumben Bedenkenträgern degradiert. Am Schluss lassen sie sich vom Wirbelwind Brandes überrollen und können nicht anders, als das Konzert, das Jarrett wegen des kaputten Stutzflügels, der anstelle des Bösendorfer Imperial auf der Bühne steht, eigentlich nicht mehr spielen will, doch noch stattfinden zu lassen.

Eicher und Jarrett haben es dem Filmteam untersagt, die Originalmusik zu verwenden. Das hat sich daraufhin die Unterstützung des Pianisten Stefan Rusconi gesichert, der seine Sicht dem Jarrett-Darsteller gleichsam in die Finger spielt. Das eigentliche ­Konzert ist überraschend mit Nina ­Simones »To Love Somebody« ­unterlegt: Man sieht Jarrett vor den ausverkauften Rängen der Kölner Oper am Flügel sitzen, hört ihn aber nicht spielen.
Brandes’ Name ist nirgendwo auf dem Bestseller »The Köln Concert« zu lesen.