Jenseits der Ostalgie
Um Großevents wie WM, EM und CSD aus dem Weg zu gehen, haben sich die Kölner Kino Nächte entschieden, ihren Termin von Ende Juni/Anfang Juli auf Ende Mai zu verlegen. Das Konzept ist gleichgeblieben: Kölner Kinos, Filmfestivals und andere Kulturinstitutionen und -initiativen präsentieren an vier Tagen ein dicht gepacktes Filmprogramm zu einem mehr als fairen Preis.
Das Allerweltskino etwa zeigt Filme der Ukrainischen Filmtage, darunter den Dokumentarfilm »Timestamp«, der im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale seine Weltpremiere feierte. Regisseurin Kateryna Hornostaj hat mehr als ein Jahr lang gefilmt, wie in der Ukraine selbst in Frontnähe versucht wird, Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen — unterbrochen von Luftalarm und Gedenkminuten, teilweise in halb zerstörten Schulen oder per Zoom. »Timestamp« setzt auf reine Beobachtung, es gibt keine Interviews, doch mit Hilfe der Musik wird immer wieder trotz des Horrors des Krieges auch die Hoffnung betont, die einem Film über Kinder fast automatisch eingeschrieben ist. Insgesamt sieben aktuelle ukrainische Dokumentar- und Spielfilme laufen im Rahmen der Kino Nächte.
»Timestamp« hat bislang keinen deutschen Verleih, insofern ist diese Vorführung vielleicht die einzige Möglichkeit den Film in Köln zu sehen. Das gilt auch für »Histoire du Souleymane«, den das Französische Kulturinstitut präsentiert. Erzählt wird die Geschichte eines aus Guinea stammenden Fahrradlieferanten, der sich auf seine Anhörung für seinen Asylantrag vorbereiten muss. Der Film hat bereits mehr als ein Dutzend internationale Preise gewonnen, darunter zwei Europäische Filmpreise.
Erstmals präsentiert auch die Stadtrevue einen Film bei den Kino Nächten. Ausgewählt haben wir GerdKroskes »Stolz & Eigensinn«, der ebenfalls in diesem Jahr seine Premiere auf der Berlinale gefeiert hat. Der renommierte Dokumentarfilmer hat einen Schatz gehoben: Videobänder des ehemaligen Leipziger Piratensenders KANAL X mit Interviews und Arbeitsbeobachtungen von DDR-Arbeiterinnen, die Anfang der 90er Jahre von Entlassungen betroffen waren. Kroske hat die Frauen heute wieder aufgesucht und mit ihnen gesprochen über ihren Arbeitsalltag als »Bergmann« (Selbstbezeichnung der Interviewten), Chemiefacharbeiterin oder Zugführerin. Entstanden ist ein bewegendes und komplexes Porträt der Frauen, das weder ostalgisch ist, noch dem Kapitalismus huldigt.
Do 22.5.–So 25.5., div. Orte,
Infos: koelner-kino-naechte.de
stadtrevue präsentiert
»Stolz und Eigensinn« von Gerd Kroske, So 25.5., Filmpalette, 18 Uhr.