Vom Meme zum Roman
Wenn man ihnen im Internet begegnet, sind Svea Mausolf und Kurt Prödel zwei sehr lustige Menschen. Die Memes von @sveamaus sind ein Lichtblick in der Timeline, auch weil sie eigentlich immer die Richtigen treffen: heteronormative Pärchen, Welterklärer im Boomeralter und Kunststudierende, die sich feministisch und aufgeklärt geben, um davon abzulenken, dass sie sich dank ihrer Eltern keine Gedanken um Geld machen müssen.
Auch Peggy, die Hauptfigur von Mausolfs Debüt-Roman »Image«, könnte einem dieser Memes entsprungen sein. Mit 37 Jahren stellen die Eltern der Kunststudentin den Geldhahn ab, woraufhin sie sich einen Mitbewohner für die mit sorgfältig ausgesuchten Vintage-Designer-Stücken vollgestellte Altbauwohnung suchen muss. Den findet sie in Martin, hauptberuflich Sohn zweier Schauspieler:innen, die ebenso erfolgreich wie er erfolglos sind. Martin ist ein Vollblut-Narzisst, für den andere Menschen nur als Mittel zur persönlichen Befriedigung existieren.
Im Laufe einer Nacht entwickelt Mausolf eine Revue des zwischenmenschlichen Elends. Martin sperrt seine zugedrogte Stalkerin Olivia in seinem Zimmer ein, während er sich (vergeblich) auf die Suche nach einem One-Night-Stand macht. Peggy wiederum ertränkt den Kummer über die Trennung von ihrer Freundin im »Image«, das lose einer Kneipe in der Nähe des Neumarkts nachempfunden ist. Von dort bringt sie die alkoholsüchtige Kellnerin Veronique nach Hause, die zufälligerweise auch noch in Peggy verliebt ist. Dort treffen sie dann auf Martin, der nicht verstehen kann, warum Olivia in seiner Abwesenheit sein Zimmer samt seiner teuren Plattensammlung zerlegt hat.
»Image« hat all die Zutaten eines guten Kammerspiels: lächerliche Figuren, ein kompaktes Setting, die Sprache ist in-yer-face. Aber was als Meme in der Timeline gut funktioniert, weil es ein willkommener Kontrast zum Elend der Posts darüber und darunter ist, wirkt etwas ermüdend, wenn sich nach dem Umblättern die Pointe wiederholt — und das rund 250 Seiten lang.
Was als Meme in der Timeline gut funktioniert, wirkt etwas ermüdend, wenn sich nach dem Umblättern die Pointe wiederholt
Vielleicht war es daher keine dumme Idee, dass Kurt Prödel für seinen Debütroman »Klapper« mit seiner Internet-Persona gebrochen hat. In den frühen Zehnerjahren hat er auf Twitter die Karikatur einer Jugendsprache geschrieben, die dank seiner Videos für Rapper wie Moneyboy oder Juicy Gay auch die große Mehrheit erreicht hat, die dort nie einen Account hatten. »Alle weimen«, anyone?
In »Klapper« ist von dieser Sprache nicht mehr viel zu erkennen, auch wenn die Sonne gleich im ersten Satz »knallt« anstatt zu scheinen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur die Erzählperspektive von Protagonist Klapper, einem Computer- und Gaming-Nerd mit wenig Sympathie für Sonnenlicht. Wegen seiner »zu früh entwickelten Geheimratsecken« und dem »Gerippe eines defekten Teenager-Körpers, das bei bestimmten Bewegungen knackte« wird er in der Schule zur Zielscheibe des Teenager-Mobs. Irgendwann kommt dann Vivi-Marie, genannt »Bär«, in seine Klasse. »Bär« ist das Gegenteil von Klapper: Sie kifft gerne, ihre Eltern sind wohlhabend und tolerant-chaotisch anstatt kleinbürgerlich, und sie mag Gangsta-Rap statt Metal. Trotzdem bonden die beiden über einem Videospiel, dem Teamshooter »Counter-Strike«. Gemeinsam bauen sie eine Map in Form ihrer Schule, die von »Bär« mit viel Hingabe dekoriert, aber in der Counter-Strike-Community schlecht aufgenommen wird.
Mit Details wie diesen zeichnet Prödel die Tiefe der Freundschaft zwischen Bär und Klapper nach und spart weder den Alkoholismus von Bärs Mutter noch ihren eigenen Burnout aus. »Klapper« ist ein Coming-of-Age-Roman, der viel Verständnis für seine Figuren aufbringt, aber ihre Jugend nicht romantisiert. Dass die Freundschaft zwischen Bär und Klapper schließlich daran scheitert, dass er ihre Grenzen übertritt, passt dazu nur. Warum sollten junge Männer im Roman anders sein als im echten Leben?
stadtrevue präsentiert
Kurt Prödel, Fr 30.5., King Georg, 21 Uhr