»Null Wertschätzung«
Vor rund einem Jahr war der Pausenraum plötzlich verschlossen. Als die Dozenten daraufhin ihre Kaffeepause in den Kopierraum verlegten, hängte jemand einen Zettel auf: »Zutritt verboten«. So schildert es Jörg Kobel, der rund 15 Monate Integrationskurse an der Volkshochschule (VHS) gegeben hat. Für Kobel und andere Dozenten ist die Sache klar: Die VHS wolle damit Vorwürfen vorbeugen, Scheinselbständige zu beschäftigen. Viele Dozenten verdienen ihren Lebensunterhalt an der VHS, gelten aber weiterhin als selbständig.
Zu dieser Gruppe zähle etwa jeder zehnte der insgesamt 900 freien Dozenten, die an der Kölner VHS tätig sind, schätzt Klaus Mautsch vom Dozierendenrat. Sie haben Urlaubsanspruch und bereits vor neun Jahren ein Honorar von 35 Euro pro Stunde erkämpft, es ist deutlich höher als das anderer Dozenten, die nur wenige Wochenstunden an der VHS unterrichten und den Großteil ihres Lebensunterhalts woanders verdienen. Doch seit 2022 ist für die »arbeitnehmerähnlichen Selbständigen« noch einmal vieles in Bewegung geraten. Das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts besagte, dass auf Honorarbasis beschäftigte Lehrkräfte, die »in den Betriebsablauf eingebunden« sind, als abhängig beschäftigt gelten und der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Geklagt hatte eine Musikschullehrerin. Inzwischen ist die Mehrzahl der Musikschullehrer festangestellt, so etwa auch an der Rheinischen Musikschule in Köln. Damit Volkshochschulen und andere Träger Zeit haben, die Arbeitsverhältnisse anzupassen, hat der Bundestag Ende Januar eine Übergangsregelung beschlossen, die Ende 2026 ausläuft.
Als Folge müssen Lehrkräfte bundesweit eine Erklärung unterschreiben, in der sie auf Sozialversicherungsansprüche bis Ende 2026 verzichten. In dem Formular der Kölner VHS folgt darauf jedoch der Zusatz: »Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass das der vorgenannten Tätigkeit zugrundeliegende Vertragsverhältnis vor und nach dem 1.1.2027 als freiberuflich zu beurteilen ist.« Man lasse die Erklärung derzeit juristisch prüfen, sagt Klaus Mautsch vom Dozierendenrat, der auch im Vorstand der GEW Köln ist.
In Essen und Dortmund wurden Lehrkräften der VHS bereits feste Stellen angeboten. Und in Köln? »Die Stadtverwaltung prüft nach dem Herrenberg-Urteil derzeit dessen Auswirkungen und Konsequenzen im Hinblick auf die freiberuflich Dozierenden der Volkshochschule Köln«, so eine Sprecherin.
Jörg Kobel lehrt inzwischen nicht mehr an der VHS. »Für uns Dozierende gibt es null Wertschätzung, dabei machen wir die Bildungsarbeit an vorderster Front«, sagt Kobel. Klaus Mautsch beobachtet, dass kleinere Sprachschulen Verträge zunehmend in Festanstellungen umwandeln, was Lehrkräfte von den VHS weglocke. »Das ist alarmierend für die Stadtgesellschaft und für eine breite Bildung«, findet Mautsch.
An der VHS macht man vor allem die niedrigen Honorare als Grund für den Lehrkräfteschwund aus. Das Standardhonorar beträgt bislang 21 bzw. 22 Euro pro Stunde, das ist im Schnitt mehr als 50 Prozent weniger als an anderen Volkshochschulen. Dies mache es »schwierig und in manchen Bereichen nahezu unmöglich, die für die VHS Köln freiberuflich tätigen Lehrkräfte zu halten und vor allem neue zu gewinnen«, heißt es in einem Beschluss, den der Rat der Stadt Köln Ende Mai verabschiedet hat. Er sieht eine Erhöhung auf 35 Euro für alle vor. Für die arbeitnehmerähnlichen Lehrkräfte ändert sich dadurch jedoch nichts, sie erhalten schon seit Jahren ein Honorar in dieser Höhe. Ihre Sozialversicherungsbeiträge aber müssen sie weiterhin komplett selber zahlen.