»Die Flönz mache ich selber«
Das »Zum Marienbildchen« in Lindenthal erstrahlt in neuem Glanz — buchstäblich. Das frische Weiß des Klinkerbaus leuchtet durch die Falkenburgstraße. Seit kurzem hat das Lokal, eines der traditionsreichsten der Stadt, wieder geöffnet. Zuvor war es drei Jahre geschlossen. Und vorher lief es lange Zeit, wie bei vielen Kneipen-Institutionen, schlecht. Ende vergangenen Jahres aber hat Mark Junglas die Gastronomie übernommen. Der 38-Jährige will das Lokal in die Zukunft führen. Dafür hat er dem Marienbildchen einen neuen Beinamen gegeben: »Leev Marie«. »Neuer, moderner, frecher« sei das, sagt Junglas.
Das Marienbildchen ist ein Stück Kölner Gastronomie-Geschichte. In dem Gebäude, 1836 erbaut und damit das älteste existierende Haus in Lindenthal, befindet sich seit 1946 gastronomisches Gewerbe. 45 Jahre führte die Familie Krämer den Betrieb, Wirt Eike Krämer war eine Kultfigur im Veedel. Konrad Adenauer zählte zu seinen Stammgästen, und John F. Kennedy und Luciano Pavarotti tranken bei ihm auch schon mal Kölsch.
Als Mark Junglas Ende vergangenen Jahres das leerstehende Lokal besichtigte, habe er nicht viel über dessen Geschichte gewusst, sagt er: »Dass das Adenauers Stammkneipe war — das hatte ich noch nie gehört.« Vielmehr beeindruckten ihn die Räume. »Es sah gigantisch aus! In Köln gibt es nur noch wenige solcher Läden«, sagt der gelernte Lebensmitteltechniker, der zuvor die Metzgerei Lappen & Prengel in der Markthalle im Belgischen Viertel betrieb.
Zum Verhängnis wurde Junglas zunächst der Zustand der Immobilie: »Ich dachte mir am Anfang: Das ist runtergekommen, aber mit Renovieren wird’s schon getan sein.« Der Eindruck täuschte. »Einen Tag vor Heiligabend habe ich die Tapeten runtergenommen.
Da wurde mir klar: Das wird eine größere Nummer, bis man hier aufmachen kann.« Der Putz kam runter, die Wände waren nass, die Deckenverkleidung bröckelte. Junglas nutzte die missliche Lage und wurde zu einer Art Do-it-yourself-Influencer. Er dokumentierte den Umbau in Sozialen Medien. Freunde hätten ihn zu der Idee überredet, sagt er. »Die Videos gingen viral. Das hatte ich weder geplant noch erwartet.« Innerhalb weniger Tage verfolgten Tausende Menschen das Treiben auf der Baustelle im Marienbildchen. Viele von ihnen kamen später als Gäste. Ab dem ersten Tag war das Reservierungsbuch voll, die 42 Plätze sind oft mehrfach am Abend belegt.
Dass das Adenauers Stammkneipe war, hatte ich noch nie gehörtMark Junglas
Doch es kommen auch »Leute, die schon vor 30, 40 Jahren da waren«, sagt Junglas. Viele freuten sich über die Rückkehr ihrer Veedelskneipe — aber nicht alle. »Wir haben auch Leute vor den Kopf gestoßen, die alles so haben wollten wie früher«, so Junglas und erzählt von Gästen, die ohne Reservierung vorbeikämen und auf ihrem Stammplatz sitzen und den Kartoffelsalat wie damals essen wollten. »Ja, es ist das Zum Marienbildchen«, sagt Junglas. »Aber es ist nicht mehr so, wie es früher mal war.«
Der größte Unterschied: Es ist keine reine Kneipe mehr. »Es kann nicht mehr jeder reinkommen, wann er will, sich 20 Bier in den Kopf knallen und Parolen an der Theke blöken«, sagt Junglas. Er wolle zwar kein Fine-Dining-Restaurant sein, aber ein gutes Gasthaus. »Du kannst für drei Bier kommen — oder für ein ordentliches Essen.« Es gibt kölsche Brauhaus-Küche. Auf der wechselnden Karte finden sich Braten, Tatar oder Schnitzel. Unterscheiden möchte sich Junglas durch Qualität. »Schön viel, aber billig — das ist nicht mein Ansatz.« Es gebe handwerklich hergestelltes Essen, frisch zubereitet, ohne Convenience-Produkte. Das ist nicht mehr die Regel. Gerade in Brauhäusern gilt die Kundschaft als preissensibel. Doch Junglas sagt: »Als Gast ärgere ich mich, wenn ich drei, vier Euro weniger für ein Gericht ausgebe, aber merke, dass die Soße aus dem Eimer und die Bratwurst aus der Verpackung kommt.« Der Metzger und Jäger aus der Eifel legt Wert auf seine kulinarische Herkunft. »Die Flönz mache ich selber in meiner Metzgerei, die Wildbratwurst ist von selbsterlegtem Wild.«
Zum Marienbildchen — Leev Marie, 50935 Köln, Lindenthal, Falkenburgstr. 21, zum-marienbildchen.de