»Weit über Dom und Karneval hinaus«
Köln im Film gibt es seit 2013, aber Sie beschäftigen sich noch länger mit dem Thema Filme aus und über Köln. Werden eigentlich noch neue historische Filme mit Kölnbezug entdeckt?
Eine wirklich große Entdeckung gab es 2012 in einem Bremer Archiv: eine Filmrolle mit Material vom Kölner Rosenmontagszug aus den 1930er Jahren. Meine Kollegin Irene Schoor und ich sind sofort hingefahren. Die Filmrolle ist tatsächlich etwas Besonderes, zu sehen ist unter anderem ein antisemitischer Wagen, von dem bis dahin nur Fotos bekannt waren.
Wie kam der Film nach Bremen?
Die Filmrolle lag in einem Bremer Garten vergraben und war wahrscheinlich von einem Hapag-Lloyd-Kapitän, der dort gewohnt hatte. Auf den Schiffen über den Atlantik wurden damals zur Unterhaltung Filme gezeigt, Zeichentrick-Filme, aber auch Wochenschauen. Den Film haben wir von dem Archiv zur weiteren Nutzung bekommen. Wir haben ihn restaurieren und digitalisieren lassen. Auf unserer Website kann man einen Ausschnitt sehen.
Gibt es weitere Beispiele?
Vor einigen Jahren hat uns ein Privatmann aus Mainz eine alte Filmrolle — Nitrofilm, also entzündlich — übergeben. Es ist eine Art Werbefilm für die Kölner Nothilfe aus dem Jahr 1931 mit einem Plan, der die Ausgabestellen in den Stadtteilen zeigt, sowie Aufnahmen von Essensausgaben und einer Bücherei. Ein seltenes filmisches Dokument, zu dem übrigens gerade neu komponierte Filmmusik entsteht.
So frühe Aufnahmen sind rar, aber irgendwann, Stichwort Videorevolution, wird es immer mehr Material. Was interessiert Sie und was nicht?
Gute Frage. Wir sind kein Archiv im klassischen Sinne. Wir können sagen, wo die Filme sind, wenn jemand sich dafür interessiert, oder wer die daran Rechte hat. Was uns interessiert, geht weit über Karneval und Dom hinaus. Gerade auch was neuere Filme betrifft, gucken wir, was an den Hochschulen entsteht oder auch in der freien Szene. Es geht uns um gesellschaftliche Themen, die für Köln wichtig sind, aber auch darüber hinaus. Wir haben zum Beispiel eine Filmreihe gemacht zur Geschichte der Migration. Köln war ein wichtiger Ort, wo Arbeitsmigrant*innen ab 1955 angekommen sind. Natürlich ist das keine reine Kölner Geschichte, wir haben also auch Filme ohne Kölnbezug ausgewählt.
Es geht uns um gesellschaftliche Themen, die für Köln wichtig sind, aber auch darüber hinausMarion Kranen
Die Hochschulen haben sich stark internationalisiert. Die Studierenden kommen aus der ganzen Welt und machen auch ihre Filme auf der ganzen Welt und nicht unbedingt in Köln.
Das stimmt und ist auch selbstverständlich. Es gibt aber auch Seminararbeiten, die einfach aus Kostengründen hier entstehen. Da sind schöne, überraschende Sachen dabei. Und manche Studierende drehen ja dann auch ihre Langfilme hier wie etwa Mehmet Akif Büyükatalay mit »Oray«. Aber klar, wenn wir über Berlin im Film reden würden, dann gäbe es sehr viel mehr.
Sie veranstalten jährliche Filmreihen, dieses Jahr lautet der thematische Fokus »Work in Progress«.
Das Thema Arbeit ist natürlich ein weites Feld, der Titel bezieht sich darauf, dass sich der Begriff von Arbeit, die Arbeit an sich, Arbeitskämpfe und so weiter, stark verändert haben. Wir präsentieren fünf Programme und werden mit Archivfilmen des WDR in die 70er Jahre zurückgehen, weil damals das Thema Arbeit und Arbeitskämpfe besonders in den Blick geraten ist. Es gibt zum Beispiel einen schönen mittellangen Film von Claudia von Alleman über die Arbeitsbedingungen berufstätiger Frauen in der Metall- und Elektroindustrie und einen Dokumentarfilm über den sogenannten Ford-Streik oder auch »Türkenstreik« aus dem Jahr 1973, der aus einer gewissen zeitlichen Distanz darauf blickt und mit den Männern spricht, die damals beteiligt waren.
Gibt es so etwas wie einen Lieblings-Kölnfilm von Ihnen?
Da gibt es mindestens drei: »Wem gehört die Stadt« von Anna Dinges, ein Dokumentarfilm über die Bürgerbeteiligung bei der Entwicklung des Heliosgeländes in Ehrenfeld; »Prinzessin« von Birgit Großkopf, ein Spielfilm über eine Mädchengang in einem Hochhaus-Stadtrandbezirk, und »Heißer Jazz, kaltes Eis« von Gianni Paggi, eine WDR-Produktion über das legendäre Eiscafé Campi und die Jazzszene der 60er Jahre nach einem Text des Schriftstellers Jürgen Becker.
Infos: koeln-im-film.de