Ein Drei-Stunden-Monument: »The Old Bachelor«

Übervater Staat

Wenn Kino und Leben ineinander aufgehen: das Filmfestival Visions of Iran

Das Festival Visions of Iran will es in seinem zwölften Durchgang wirklich wissen. Was soll man sonst sagen, wenn gleich zur Eröffnung ein mehr als drei Stunden langer Film wie Oktay Barahenis »The Old Bachelor« gezeigt wird, in dem es die ganze Zeit emotional so richtig auf die Zwölf geht. Aber es lohnt, sich diesem Monument auszusetzen: Mit seiner Geschichte vom brutalen Über­vater, der seine gesamte Umgebung unterdrückt, liefert Baraheni eine perfekte Parabel für die politischen Gegebenheiten im Iran — über deren Gültigkeit jenseits des direkten kulturellen Kontexts man aber nicht hinwegsehen sollte. Oktay Baraheni ist übrigens der Sohn des auch ins Deutsche übersetzten, vor wenigen Jahren erst verstorbenen exiliranischen Autors und Politaktivisten Reza Baraheni.

Ein feines dokumentarisches Pendant zu »The Old Bachelor« ist »Impasse« von Bahman Kiarostami und Rahmaneh ­Ra­bani. Letztere konfrontiert ­darin ihre konservativ-erzreligiöse ­Familie in Gesprächen damit, dass sie sich nie dafür interessiert habe, wer sie ist — nur dafür, was sie sein solle. Kino und Leben gehen also wieder einmal in bester iranischer Manier ineinander auf — ein Motiv beziehungsweise gestalterisches Prinzip, das auch ­einen Gutteil des übrigens Programms bestimmt. Man kann ­sagen: Die verschiedenen Mischverhältnisse werden untersucht.

Farshad Hashemis »Me, ­Maryam, the Children and 24 ­Others« ist reine Fiktion, in der es aber um den Einbruch des Kinos in den Alltag geht: Eine Frau vermietet ihre Wohnung als Set an ein Filmteam und muss sich nun mit den Eindringlingen und deren eigenwilligen Ritualen und Gewohnheiten herumschlagen. Auch Navid Mihandousts »Café« ist fiktiv, wenn auch unter dokumentarischen Vorzeichen: Denn der auf die Bestätigung seiner Gefängnisstrafe wartende Regisseur und Cafébesitzer im Zentrum der Geschichte erinnert an Mihandoust selbst. Hesam Eslami rahmt seinen veristischen Schatzgräberfilm »A Band of Dreamers and a Judge« mit Szenen aus der Gerichtsverhandlung, in die ihn das Projekt gerissen hat. Und Said Nouri liefert in seinem filmhis­torischen Essay »Tehran, an Un­finished Story« nebenher noch eine Theorie, warum man im Iran so besessen ist von dem Wechselspiel zwischen Realität und Fik­tion.Das ist mal ein rundes Programm, Chapeau!

Do 12.6.–So 15.6., Filmforum im Museum Ludwig.
Infos: iranian-filmfestival.com