Eine moderne Geistergeschichte? Chang Han, Nina Mélo, © CinéFrance Studios, Archipel 35, Dune Vision

Black Tea

Abderrahmane Sissako lässt eine Westafrikanerin in China von ihrem Glück träumen

»Black Tea« ist ein Sprung in unbekanntestes Terrain für den mauretanischen Regisseur Abderrahmane Sissako, der seit »Timbuktu« (2014) keinen Film mehr gemacht hat: Nicht in Afrika, sondern in China spielt das meditative Liebesdrama, das von Migration und dem Traum von einem anderen Leben erzählt.

Am Anfang steht ein Nein. Am Traualtar verweigert die aus der Elfenbeinküste stammende Aya ihrem Zukünftigen das Ja-Wort. Ein paar Schnitte später lebt sie in Guangzhou, einer gesichtslosen Millionenstadt in China, wo sie Teil einer wachsenden Gemeinde afrikanischer Migranten ist, die in der Fremde ihr Glück suchen. Aya scheint es geschafft zu haben: Sie arbeitet im Teegeschäft des älteren Chinesen Wang. Die beiden teilen die Liebe zum Tee, der Zeremonie, die seine Zubereitung zu einem intimen Ritual macht, und auch das Bett. 

Doch Wang trägt viel Ballast mit sich herum: Vormals lebte er auf den vor der westafrikanischen Küste gelegenen Kapverdischen Inseln, wo er mit der Mutter seiner Kinder ein Restaurant führte und mit einer einheimischen Frau ein weiteres Kind hat. Ayas Traum vom Glück scheint als genau das zu enden: ein Traum, der nicht in Erfüllung gehen kann.

Als Schlüssel zum Verständnis von »Black Tea« könnte die Lektüre von Ambrose Bierces berühmter Kurzgeschichte »An Occurrence at Owl Creek Bridge« dienen, die schon andere Regisseure zu Filmen inspirierte, die als moderne Geistergeschichten zu verstehen sind. Dementsprechend unwirklich wirkt auch das China, das Sissako zeigt, eine schlafwandlerische Welt, in der Migranten ihren Platz haben und von den Einheimischen nicht nur toleriert, sondern akzeptiert werden. Zu schön, um wahr zu sein, wirkt das — ein Traum von geglückter Migration, der nicht nur in China meist verpufft.

Die glatte Oberfläche, mit der Sissako all das zeigt, lässt leicht übersehen, wie sehr sich »Black Tea« mit aktuellen Migrationsbewegungen beschäftigt. Zu denen trägt auch ein verklärter Blick auf die Zielländer bei, die nur in der Fantasie potenzieller Migranten so bukolisch sind. Der Realität können diese Vorstellungen meist nicht standhalten und erweisen sich schnell als eine Illusion, ähnlich der vom Glück in China, die Aya hier träumt.

F/RC/LUX/ RIM 2024. R: Abderrahmane Sissako, D: Nina Mélo, Chang Han, Wu Ke-Xi, 109 Min. Start: 19.6.