The Ugly Stepsister
Brustvergrößerung, Faltenunterspritzung, Nasen- und Intimkorrektur — die Liste möglicher Schönheitskorrekturen ist lang. Und zunehmend strömen sehr junge Menschen mit bearbeiteten Fotos in Praxen und verlangen nach Korrekturen, die einem unrealistischen Ideal entsprechen. Da kommt Emilie Blichfeldts tiefschwarzhumorige Body-Horror-Version des Aschenputtel-Märchens gerade richtig. Ebenso wie in »The Substance« werden in dem bitterbösen Langfilmdebüt die grausamen Folgen genormter Schönheitsideale bis zur Kenntlichkeit überzogen. Zartbesaitete Kinozuschauer*innen seien vorgewarnt: Die vermeintlich hässliche Elvira, aus deren Perspektive das Horror-Märchen erzählt wird, lässt sich die Nase brechen, künstliche Wimpern annähen und muss gegen Ende einen riesigen Bandwurm hervorwürgen, dessen Ei sie aus Diätgründen geschluckt hat.
Für Elviras Mutter Rebekka, die den Sexismus einer patriarchalen Gesellschaft tief verinnerlicht hat, ist ihre älteste Tochter die einzige Hoffnung, aus ihrer finanziellen Misere herauszukommen. Der Baron, den Rebekka geheiratet hat, ist nicht nur rasch verstorben, sondern war auch pleite. Seine Leiche lässt sie zum Entsetzen von dessen bildhübscher Tochter Agnes einfach verwesen, um eine teure Beerdigung zu sparen. Stattdessen steckt sie ihr Geld in Schönheits-OPs für Tochter Elvira, um sie an einen reichen Mann zu verheiraten. Die von Lea Myren markerschütternd zielstrebig verkörperte Elvira lässt dies über sich ergehen, da sie obsessiv für einen prolligen Prinzen schwärmt, der zu einem Ball einlädt, um seine Prinzessin zu finden.
Doch auch für ihre zur Magd degradierte Stiefschwester Agnes, die charakterlich nicht so perfekt ist wie im Märchen, geht es um die Existenz. Im gnadenlosen Klassenkampf in einer misogynen Gesellschaft wird Schönheit für Frauen zur einzigen Währung, die zählt. Lediglich Elviras jüngere Schwester hat Mitleid mit ihr, begreift, dass sie ein Opfer der Umstände ist.
Das perfekt ausgestattete historische Setting bricht Regisseurin Blichfeldt immer wieder mit anachronistischen Anspielungen auf die 1970er Jahre auf, etwa auf Václav Vorlíčeks »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« (1973). Vermutlich wird sich ihr Film nicht als Weihnachtsklassiker etablieren, doch als zeitgemäße Horrorparabel kann man sie nur jedem selbstbildgestörten Teenager empfehlen.
N/S/PL/DK 2024, R: Emilie Blichfeldt, D: Lea Myren, Thea Sofie Loch Næss, Ane Dahl Torp, 105 Min. Start: 5.6.