Das Fest geht weiter!
Robert Guédiguian ist im internationalen Kino ohnegleichen. Mit kaum wechselnden Mitarbeiter*innen dreht der 1953 geborene Franzose seit über vier Jahrzehnten Filme, die fast alle in seiner geliebten Heimatstadt Marseille angesiedelt sind und seine politische Weltsicht reflektieren. Auch in »Das Fest geht weiter« füllen also Ariane Ascaride, die mit dem Filmemacher seit 1975 verheiratet ist, sowie deren einstiger Kommilitone an der Schauspielschule, Jean-Pierre Darroussin, die Hauptrollen aus. Als Dritter im Bunde darf Gérard Meylan nicht fehlen, der das Schauspielen nie zum Beruf gemacht, aber in fast allen Filmen seines Freundes aus Kindheitstagen zentrale Figuren verkörpert hat.
Hier spielt er den kauzigen Taxifahrer Antonio, dessen verwitwete Schwester, die Krankenpflegerin Rosa, eine Romanze mit dem ehemaligen Buchhändler Henri beginnt. Der ist zu Besuch bei seiner Tochter Alice, der Rosas Sohn Sarkis soeben einen Heiratsantrag gemacht hat. Altersbedingt gehören die Darsteller*innen dieses zweiten Paares, Robinson Stévenin und Lola Naymark, noch nicht so lange zu Guédiguians Truppe, doch auch sie sind seit über einem Jahrzehnt dabei. Sarkis betreibt ein armenisches Restaurant, in dem die Eskalation in Bergkarabach Thema ist — was dem Filmemacher Anlass gibt, wieder einmal die Genoziderfahrung der Herkunftsnation seiner Familie anzuschneiden.
Als Leiterin eines Kulturzentrums regt Alice derweil die Bevölkerung eines Marseiller Arbeiterviertels zum Widerstand gegen Immobilienspekulation an, die unlängst einen tödlichen Gebäudeeinsturz verschuldet hat, wie reale Nachrichtenbilder zu Beginn vor Augen führen. Die schon lange kommunalpolitisch engagierte Rosa hat es vor kurzem zu den Grünen verschlagen, denen sie Kapitalismuskritik beibringen will, während sie bei anderen Parteien links der Mitte um ein Wahlbündnis wirbt.
Das spiegelt den verengten Handlungsspielraum der (post-)marxistischen Linken, den Guédiguian seit 1981 regelmäßig beleuchtet, am erfolgreichsten 1997 in »Marius und Jeanette — Eine Liebe in Marseille« sowie 2011 in »Der Schnee am Kilimandscharo«. Als Resonanzboden setzt sein 23. Spielfilm denn auch manchen vorangegangenen voraus, wobei die simple Zwanglosigkeit, mit der hier Handlungsfäden, Erzählperspektiven, Realitäts- und Zeitebenen verknüpft werden, durchaus ihren eigenen Charme besitzt.
(Et la fête continue!) F/I 2023, R: Robert Guédiguian, D: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Lola Naymark, 106 Min. Start: 12.6.