Lost Place: Die ehemalige studiobühneköln an der Universitätsstraße

Kollaps ohne Not

Die Universität Köln priorisiert die studiobühneköln als Theaterort nicht mehr — jahrzehntelanger Stillstand droht, während das Land die Mittel für die freie Szene drastisch kürzt

Mit Staunen durchstöberten die Leiterin der studiobühneköln Stawrula Panagiotaki und ihre Mitarbeiter in den letzten Wochen die Archive des ältesten Universitätstheaters  Deutschlands. Anlass ist das 50-jährige Jubiläum der Studiobühne, das mit der Plakatausstellung »50+1« gefeiert wird. Theaterlegenden wie Karin Beier, Dirk Bach oder Forced Entertainment haben hier ihre Anfänge ­gemacht, aber auch wichtige ­Kölner Gruppen wie das Parasites ­Ensemble oder Krux-Kollektiv. Jahrzehntelang galt das orangene Haus an der Universitätsstraße mit dem wunderschönen, lauschigen Garten als Nachwuchsschmiede schlechthin für die Kölner ­Theaterszene.

Vor vier Jahren wurde das ehrwürdige Gebäude geräumt, das Team zog nach Marienburg — und die Suche nach einem Interims-Spielort begann. Doch mitten in den Vorbereitungen erhielt ­Panagiotaki niederschmetternde Nachricht aus dem Universitäts-Rektorat: die Sanierung des Gebäudes würde nicht mehr »priorisiert«. Bis mindestens ins Jahr 2040 hinein werde mit der Sanierung nicht begonnen, und auch die Suche nach einem Interimsspielort sei schwierig zu realisieren.

Was das bedeutet? Mindestens eine Katastrophe für die Szene, die gerade schon verdauen musste, dass das ihnen eigentlich versprochene Depot 2 nach dem Umzug des Schauspiels Köln nun doch an einen Musical-Vertreiber vermietet werden soll. Es bedeutet aber auch ein weiteres Herumtouren der Koproduktionen der studiobühneköln unter dem Label »Auswärtsspiele« an vielen anderen Theaterorten der Stadt — und zwar für die nächsten Jahrzehnte. Also im Grunde das Aus für eine Institution, die deutschlandweit einzigartig ist in ihrer strukturellen Doppelkonstruktion.

Einerseits finanzierte die ­Universität hier eine Bühne für ­Studierende, die kostenlose ­Kursprogramme und ihre ersten Schritte auf Bühnen und an Technikpulten machen konnten. Auf der anderen Seite ist das Haus durch die Konzeptionsförderung der Stadt ein äußerst wichtiger Spielort für die Freie Szene, die in Köln sonst ja eher disparat und oft über kleinere Häuser verteilt ist.

Denn genau so ein Ort mit rund 140 Zuschauerplätzen und einer ausreichend dimensionierten Bühne, fehlt der Freien Szene zur Zeit dringend — und das ist auch der Grund, warum große Festivals oder Gastspiele in Köln oftmals nicht oder nur reduziert stattfinden können. Leiterin Stawrula Panagiotaki, eine erfahrene, international bestens vernetzte Dramaturgin, hat vor eineinhalb Jahren die Nachfolge von Dietmar Kobboldt übernommen. Von der Ansage der Universitätsleitung wurde sie komplett überrascht. Besonders bitter ist für sie, dass die Institution Studiobühne in ­ihrer Bedeutung nach vier Jahren ohne eigene Spielstätte nicht mehr anerkannt zu werden scheint, übrigens auch als Aushängeschild für die Stadt.

Doch kann das sein, dass da nun an einer der meistbefahrenen Ausfallstraßen von Köln erneut ein architektonisches, denkmalgeschütztes Kleinod dem schleichenden Verfall überlassen wird? Zum lost place wird, in zentralster Lage? Zweimal wurde schon im Leerstand eingebrochen. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger und teurer wird die Sanierung ­ohnehin. Es wäre leider nicht das erste Mal, dass die Uni ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem eigenen Bestand so lange verfallen lässt — auch die alte Rechtsschule an der Gottfried-­Keller-Straße steht seit Jahren leer, dem Vandalismus anheim ­gegeben.

Dabei wäre eine Sanierung der Studiobühne im laufenden Betrieb möglich gewesen, in der Vergangenheit durchaus gängige Praxis. »Eigentlich ist es absurd, dass wir überhaupt nach einem Interimsspielort suchen müssen — denn es gibt ja diesen tollen Ort«, sagt Panagiotaki. Man müsste das Haus nur ertüchtigen, dann könnte es auch jetzt bespielt werden. »Da es aus zwei getrennten Bühnen besteht, hätte der eine Raum tagsüber saniert und der andere Raum abends bespielt werden können, betretbar durch den ­Garten. Nur die Proben hätten tagsüber woanders stattfinden müssen. Dies wäre vermutlich günstiger und zukunftsträchtiger gewesen«, erzählt Panagiotaki. Nach diesem Modell werde zur Zeit im Kölner Orangerie-Theater erfolgreich saniert, oder auch am Theater Oberhausen, wo ein Innen­hof-Parkplatz einfach als Foyer genutzt wird. »Niemals aber hätte die Studiobühne geschlossen ­werden dürfen ohne vorherige Festlegung eines Interimspielortes.« Doch Stadt und Universität wollten es vor vier Jahren anders.

Nach ihrem Antritt hatte ­Panagiotaki bereits ein Konzept für »Wissenstransfer« entwickelt, der der Uni Köln eigentlich so wichtig ist, dass sogar ein eigenes Prorektorat dafür gegründet wurde. Die konkrete Vermittlung und Nutzung von Forschungsergebnissen ist ein Zukunftsbereich, der bisher in Deutschland vernachlässigt wurde. Das Theater wäre dafür eine innovative Möglichkeit. Vereinzelt experimentieren damit etwa das Theater Aachen zusammen mit der RWTH oder das ­Theater Mannheim. »Wir könnten viele Fakultäten einbeziehen. Wissenschaftler würden in die Lage versetzt, ihre Forschung konkret zu vermitteln — und sie mit Potentialen der Stadtbevölkerung in Kontakt zu bringen«, so Panagiotaki. Wissenstransfer als eigene Sparte an ein Theaterhaus angekoppelt — dies könnte Köln zum Vorreiter machen.

Ein Theater ohne Ort verliert auf Dauer seine Relevanz. Dies ist umso bestürzender, da ohnehin gerade alles um die Freie Szene in Köln zu kollabieren scheint

Nun scheint die Zukunft der Studiobühne massiv bedroht. Ein Theater ohne Ort verliert auf Dauer seine Relevanz. Das ist umso ­bestürzender, da ohnehin gerade alles um die Freie Szene in Köln zu kollabieren scheint. Das Land hat soeben Kürzungen in gigantischem Ausmaß verhängt: nahezu alle mehrjährigen Förderprogramme werden massiv gekürzt oder wie die Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater komplett ­eingestellt. Auch wenn in Köln das Fördervolumen der Freien Szene momentan noch stabil ­erscheint, wird dies dramatische Auswirkungen auf die meisten Gruppen haben, die in der Regel auf mehreren Beinen stehen.

Die Uni erklärt die Aufgabe der Studiobühne dagegen mit »sehr hohem Bau- und Sanierungsbedarf« und der laufenden »Priorisierung aller Bau- und Sanierungsprojekte«. Oberste Priorität hätten jene Maßnahmen, die »Funktions- und Leistungsfähigkeit der Universität in Forschung und Lehre baulich sicherstellen«, eine Sanierung der Spielstätte sei »auf ab­sehbare Zeit nicht realistisch«, die Suche nach einer Interimsspielstätte »habe keinen Erfolg gehabt«.

Dabei stimmt das so gar nicht: Soeben schien eine Interimsimmobilie in der Südstadt in Kooperation mit einer Kölner Hochschule gefunden zu sein, ein theatergerechter Umbau wäre dort möglich.

Die Ausstellung »50 + 1« ist ab 2.7. für vier Monate auch in der Universitäts- und Stadtbibliothek zu sehen