Zweitberuf Hoffnungscoachin: Rebekka Endler, Foto: Andrew Collberg

Workout für den Muskel Hoffnung

Rebekka Endler beschreibt in »Witches, Bitches, It-Girls« den kleinschrittigen Kampf gegen patriarchale Mythen

Gesamtscheiße — das ist vielleicht das beste Wort für das, was Rebekka Endler in ihrem neuen Buch »Witches, Bitches, It-Girls« beschreibt. Sie erzählt, »wie patriarchale Mythen uns bis heute prägen«, und diese Mythen sind langlebig und meistens auch ziemlich dumpf.

Die »romantische Liebe« etwa ist die Stilisierung einer einfachen chemisch-hormonellen Reaktion, die dann in einen kulturellen Code überführt wurde, der Frauen als besonders gefühlsbetont und emotional flatterhaft konstruiert, auch um für die entsprechende Literatur und Kunst ein Publikum zu finden. Oder Frauen werden aus der Geschichte einer Fachdisziplin getilgt, weil der Name ihres Partners mehr Profit und Aufmerksamkeit verspricht. Oder die Beschwerden von Stewardessen über die Gesundheitsfolgen von neuen Uniformen werden monatelang von einer Fluggesellschaft ignoriert, bis sich auf einmal ein männlicher Pilot einmischt und seine Symptome beschreibt. Das Lesen von »Witches, Bitches, It-Girls« gleicht manchmal einer analogen Version von Doomscrolling, in dem die ganzen Gruselgestalten und ihre pseudowissenschaftlichen Argumente des internationalen Rechtspopulismus nacheinander ihren Auftritt haben.

»Feministischer Fortschritt ist eine Art Linedancing: zwei Schritte vor, einer zurück«, schreibt Endler selbst, und dieses Prinzip durchzieht auch ihr Buch. Die ­patriarchale Shitshow wird immer wieder von Geschichten durchbrochen, die Alternativen aufzeigen oder etwas Hoffnung verbreiten. Da ist etwa der Fall der Designerin und Architektin Marlene Moeschke-Poelzig. Sie entwarf eine wichtige Villa der klassischen Moderne in Berlin, was lange ihrem Mann zugeschrieben wurde. Als diese Villa Anfang der 2020er Jahre abgerissen werden sollte, setzte sich eine Initiative für ihren Erhalt ein und würdigte damit auch ihre Schöpferin.

Den Abriss verhindern konnten sie nicht, aber die historische Rolle von Marlene Moeschke-­Poelzig ist nun prominenter als zuvor. Eine »kleine, hartnäckige ­Vorwärtsbewegung, die unser ­Leben verbessert«, nennt Endler solche Dinge und spricht vom »Muskel Hoffnung«. Dieses Buch zu lesen trainiert ihn.

Rebekka Endler: »Witches, Bitches, It-Girls. Wie patriarchale Mythen uns bis heute prägen«, Rowohlt, 464 Seiten, 25 Euro

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