Afrikan Party: afrofuturistischer Urban Dance, Foto: Supa Rich Kids

Kimpa Vita, Afrofuturismus und intime Innenschau

Das Africologne Festival geht mit einer neuen künstlerischen Leitung an den Start — und bespielt zahlreiche Orte in Köln

Wie vielfältig das Programm des diesjährigen Africologne Festivals ist, das lässt sich schon an den ­unterschiedlichen Spielstätten ­erkennen. Da gibt es Performances in der Alten Feuerwache, dem Rautenstrauch-Joest-Museum und dem Depot in Mülheim, da gibt es Tanz in der TanzFaktur, ein Live-Set abends im King Georg, eine Stadtführung von Decolonize Cologne. Ebenso unterschiedlich ist der inhaltliche Fokus der Arbeiten, mit der das Festival afrikanische Künstler*innen nach Köln holt. Doch von vorne.

2011, also vor 14 Jahren, fing alles an, im Theater im Bauturm, als das Africologne Festival mit seiner allerersten Ausgabe startete. Kurze Zeit zuvor hatte der ­damalige Leiter des Theaters ­Gerhardt Haag bei einer seiner vielen Reisen nach Burkina Faso den Theatermacher Étienne ­Minoungou kennengelernt. Die beiden waren sich auf der Grundsteinlegung von Christoph Schlingensiefs Operndorf begegnet und hatten sofort beschlossen: Wir ­arbeiten künftig zusammen. So entstand die Idee eines gemeinsamen Festivals in Köln, das zu einer bundesweit wichtigen Plattform für afrikanische Künstler*innen werden sollte.

Bis heute, wo Gerhardt Haag, prägende Figur der Kölner Kulturszene und dafür auch ausge­zeichnet mit dem Kölner Ehrentheaterpreis, in den Ruhestand wechselt — und den Staffelstab weitergibt: an Kerstin Ortmeier, die als Dramaturgin von Beginn an beim Africologne Festival mitwirkte, und die Tänzerin und ­Choreografin Marie Deuflhard, eine Zweierspitze als künstlerische Leitung.

Beide haben in den letzten Monaten Inszenierungen in ganz Europa und Afrika bereist, um das Programm der diesjährigen Ausgabe zu kuratieren. Die vielen ­Eindrücke, die sie dabei gesammelt haben, bilden sich auch im gemeinsamen Gespräch ab. Denn fragt man Kerstin Ortmeier nach ihrem persönlichen Programm-Liebling des diesjährigen Festivals, dann holt sie erst einmal tief Luft. Und setzt dann an, zu einer begeisterten Aufzählung. Da wäre zum Beispiel die Inszenierung über Kimpa Vita, die Kerstin ­Ortmeier gleich als erstes nennt: ­Kimpa Vita, die kongolesische Prophetin, die viele als afrikanische Jeanne d’Arc bezeichnen, die sich gegen die Kolonialmacht auflehnte und eine eigene Glaubensgemeinschaft gründete.

»Als wir das Stück in Frankreich sahen,  gab es Standing Ovations«, erzählt Kerstin Ortmeier. »Choreograf DeLaVallet Bidiefono hat hier eine absolut energetische und berührende Arbeit geschaffen, zusammen mit einer grandiosen Sängerin und einer umwerfenden Tänzerin.« Im Depot 2 im Schauspiel Köln wird es an zwei Abenden gezeigt, unter anderem zur Festivaleröffnung mit anschließender Party.

Auch jüngere ­Menschen bekommen hier ihren Raum, etwa bei der Open StageMarie Deuflhard

»Und dann wäre da natürlich auch noch das Stück ›Afrikan ­Party‹ von Oulouy und Supa Rich Kids«, erzählt Kerstin Ortmeier. »Ein Inszenierung, die unglaublich Spaß macht, gerade weil sie so ­freakig und spielerisch ist.« In dem ­afro­futuristischen Urban-Dance-Stück kommen Streetdance, Pantomime und Performance zusammen. Es geht um Musik, Mode und Livestyle und wird ebenfalls an zwei Abenden in der TanzFaktur gezeigt. Mit deutlich ernsterem Ton hingegen: Die Peformance »Hewa Rwanda«, eine Solo-Performance von Dorcy Rugamb, in der er die Ermordung seiner Familie während des Völkermords in ­Ruanda verarbeitet. »Als wir die ­Inszenierung bei ­einem Festival in Ruanda sahen, liefen uns allen die Tränen herunter. Ein sehr berührendes, sehr ­intimes Stück, das trotz der ­Grausamkeit einen versöhnlichen Ton einschlägt«, sagt Kerstin Ortmeier.

Eine weitere Besonderheit des Festivals: Das Publikum kann sich hier auf der Bühne einbringen. »Wir haben ein neues Format entwickelt, das Africologne Local, mit dem wir gezielt BIPoCs aus Köln und Umgebung ansprechen wollen«, erzählt Marie Deuflhard. »Auch jüngere Menschen sollen hier ihren Raum bekommen, etwa bei der Open Stage ab zehn Jahren.« Für das Programm auf einem kleinen Bühnenwagen im Hof der Alten Feuerwache kann man sich mit einem eigenen kurzen Werk bewerben. »Das trifft auch den Kerngedanken von Africologne, weil wir mit dem Festival sowohl inhaltlich als auch ästhetisch eine Spannbreite aufmachen wollen, um unterschiedliche Erzählungen auf die Bühne zu bringen und Stimmen hörbar zu machen.«

Die sind in diesem Jahr sogar erstmals in einer eigenen Anthologie festgehalten: »Spuren« erscheint im Verlag Theater der Zeit und versammelt zeitgenössische Theatertexte aus afrikanischen Ländern und der afrikanischen Diaspora.

11.–22.6., africologne-festival.de