»Nicht in Betracht«
»Skrupellose Eigentümer nutzen den Wohnungsnotstand aus: Sie verlangen horrende Mieten für schlechte Wohnungen. So auch in Chorweiler und Seeberg«, schreibt Michael Weisenstein in der Fraktionszeitung der Linken. Mit einem Ratsantrag, unterstützt von Klimafreunde/GUT, wollte Weisenstein die Situation für die Mieter von 600 Wohnungen verbessern, weil dort desaströse Zustände herrschen. Die Stadt oder deren Wohnungsgesellschaft GAG sollte die Wohnungen kaufen und sanieren, forderte die Linke. Sie setzt im Kommunalwahlkampf auf eine sozialere Wohnungspolitik — ebenso wie die SPD, der nun aber, so scheint es, die Linke zuvorgekommen war.
Anlass war, dass die Wohnungen, die bislang noch einem Finanzfonds der Volksbanken/ Raifeisenbanken gehören, an einen anderen Fonds verkauft werden sollten. Weisenstein sagt, dass sich dadurch die Wohnverhältnisse keinesfalls verbessern. Der bisherige Vermieter habe seine Ankündigungen auch nicht umgesetzt. Nach wie vor gebe es Nässe und Schimmel, Sanitäranlagen und Aufzüge seien oft defekt. Dort zu wohnen, sei gesundheitsgefährdend, die Stadt müsse ihr kommunales Vorkaufsrecht nutzen, mit dem sie an die Stelle des neuen Käufers treten könne. Rund 60 Mio. Euro würde das kosten, sagt Weisenstein. »Ja, das ist viel Geld, aber das sind investive Kosten, die den Haushalt nicht unmittelbar belasten und später durch die Mieten wieder eingenommen werden.« Mit Fördermitteln des Landes NRW könnten die Wohnungen dann saniert werden.
Im Rat fand der Antrag von Linke und Klimafreunde/GUT keine Unterstützung, sondern wurde mit breiter Mehrheit in den Liegenschaftsausschuss Mitte Juni verweisen. Auch OB Reker schaltete sich ein und wies darauf hin, dass es »keinen Deckungsvorschlag« gebe.
Pascal Pütz, wohnungspolitischer Sprecher der SPD, der seine Partei und die Linke sonst »die sozialen Parteien« nennt, kritisiert den Vorstoß als »Populismus« und »Wahlkampfmanöver«. Weisenstein, so behauptet Pascal Pütz, wisse selbst, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht besitze, das gehe aus den Antworten der Verwaltung auf Anfragen in der Bezirksvertretung Chorweiler hervor. »Zudem handelt es sich bei dem Verkauf um ein größeres Portfolio. Da kann man nicht mal eben die 600 Wohnungen heraustrennen.« Und nicht zuletzt sei ja der Deal zwischen den beiden Fonds schon im Februar auf den Weg gebracht worden, so Pütz.
Warum reagiert bei der Stadt niemand, wenn so große Wohnungsbestände verkauft werden?Michael Weisenstein (Linke)
Tatsächlich heißt es in den Stellungnahmen der Verwaltung, ein Kauf »mittels Ausübung des Vorkaufsrecht kommt nicht Betracht.« Stadtverwaltung und Stadtwerke seien in diesem Fall ohnehin nicht zuständig, und da der Verkauf bereits Ende Februar in die Wege geleitet worden sei, könne die GAG nicht in das Geschäft eintreten.
Michael Weisenstein genügen solche Auskünfte nicht. »Ich kann auch kein wirklich großes Engagement für eine Verbesserung der Wohnsituation herauslesen«, sagt er. »Zudem würde ich mir mehr Transparenz wünschen, und dass uns mal jemand erklärt, warum bei der Stadt niemand reagiert, wenn so große Bestände verkauft werden.« Laut Stadtverwaltung hat man erst durch eine offizielle Pressemitteilung Kenntnis über den Verkauf erhalten, als der schon notariell beurkundet war.
2016 war es der GAG auf Initiative des SPD-Politikers und damaligen GAG-Aufsichtsratsvorsitzenden Jochen Ott gelungen, 1200 Wohnungen in Chorweiler zu kaufen, die unter Zwangsverwaltung standen. Auch damals sprach vieles dagegen, rechtliche Fragen mussten geklärt werden. Heute gilt die Initiative als großer Erfolg: Die Wohnungen und auch der öffentliche Raum sind saniert — für Weisenstein ein Vorbild. »Aber viele denken, es sei damit heute alles gut in Chorweiler — auch im Rat.«
Pascal Pütz lobt die damalige Initiative seines Parteigenossen Ott. »Quasi in seiner Nachfolge engagiert sich heute Lena Teschlade, unsere Landtagsabgeordnete aus dem Kölner Norden, für den Stadtteil«, betont Pütz. »So einfach, wie die Linke es darstellt, geht es nicht.« Es hat den Anschein, als stritten SPD und Linke auch darum, wer sich klüger für die Mieter einsetzt. Der Antrag der Linken fiel auch im Ausschuss durch. »Aber imerhin ist jetzt eine Debatte über die Wohnsituation in Chorweiler und Seeberg da«, sagt Weisenstein. »Man kann nicht mehr wegschauen.«