Show? Ja! Aber nicht gediegen
Schon ein sympathisch-kauziges Gespann, das mir da bei prächtigem Sonnenschein draußen am Café am Römerpark in der lauschigen Kölner Südstadt bei Kaffee und Kuchen gegenübersitzt! Denn die beiden Erdmöbel-Chefs Markus Berges und Ekki Maas könnten nicht unterschiedlicher sein: Berges — Sänger, Gitarrist und Songwriter — ist der schmächtige, introvertierte Intellektuelle mit prototypischer Hornbrille, der vor jeder Äußerung erstmal einen Moment zu grübeln scheint, Maas — Bassist, Produzent und Arrangeur — eine deutlich kernigere und affektivere Person, die nur ein kurzes Stichwort benötigt, um munter draufloszureden. Mit Schlagzeuger Christian Wübben und Keyboarder Wolfgang Proppe bilden die beiden seit mittlerweile 30 Jahren die formidable Deutschpop-Band Erdmöbel — gegründet noch im heimischen Münster, den Großteil ihrer Karriere aber von Köln aus agierend.
Zum Jubiläum veröffentlicht die Band mit »Hätte Sehnsucht Gewicht« (Energie Kultur/Warner) nun ein Album, auf dem sie ihre größten Hits, ergänzt durch drei neue Songs, neu eingespielt haben und mithilfe des renommierten Kaiser Quartetts (Chilly Gonzales, Jarvis Cocker, Giant Rooks) in ein orchestrales Mäntelchen hüllen. Passend zum hochkulturellen Anstrich wird im Juli nun live in den Philharmonien von Hamburg, Köln und Berlin gastiert.
Dabei war die Band von dem Konzept »Greatest-Hits-Album mit Streichern« zunächst wenig angetan, wie Ekki Maas erläutert: »Wir dachten: Jubiläum, das ist doch irgendwie blöd, da kräht doch kein Hahn nach. Unser Booker aus Berlin hat uns dann aber zur Seite genommen und gesagt: Ihr habt 30-Jähriges, wir werden daraus Kapital schlagen. Der Trick ist, wir machen etwas Seriöses, denn das können wir besser verkaufen.« Das Klischee sollte dabei aber gemäß Erdmöbel-Kodex nicht bedient werden, wie Markus Berges ergänzt: »Keine gediegene Show, oder wenn, dann so, dass es trotzdem abgeht und die Leute tanzen. Unser Prinzip war also, sich auf die Idee einzulassen, sie aber renitent zu interpretieren. Denn Erdmöbel goes Klassik ist ja eigentlich grauenhaft.«
Das Streichquartett sollte nicht als schmalzig-melodramatische Unterfütterung dienen, sondern als eigenständiger »Fremdkörper« für einen interessanten Klang sorgen. »Ich habe die Sachen nicht selbst geschrieben, ich habe lediglich Vorgaben gemacht«, führt Maas aus, »auf deren Basis hat Ingmar Süberkrüb vom Kaiser Quartett Arrangements geschrieben. Ich habe zum Beispiel gesagt, es soll so klingen wie Psycho, oder nach 60er-Jahre-Musical.« Bei der Songauswahl wurde laut Berges nach dem reinen Lustprinzip vorgegangen: »Wir wollten natürlich ein paar unserer großen Hits draufhaben, wie ›Hoffnungsmaschine‹ oder ›Dreierbahn‹, eine Nummer die uns schon von Anfang an begleitet, oder eben Songs, auf die wir persönlich jetzt noch Bock haben, die für uns wichtig sind, die noch Geltung haben, wie etwa ›Lied über gar nichts‹«.
Nachdem alle Arrangements und instrumentalen Aufnahmen fertig waren, bestand für Berges die Herausforderung vor allem darin, »zu suchen, wie ich die Dinger jetzt so singen kann, dass es schön ist«. An die alten Aufnahmen habe er dabei gar nicht so sehr gedacht, weil es sich so anders angefühlt habe. »Es gibt aber auch Sachen von früher, die ich heute affig finde, z.B. die Schreiparts beim Original von ›Tätowiert von innen‹, schon okay, dass wir das damals so gemacht haben, aber heute …«. Klanglich habe sich seine Stimme im Laufe der Zeit schon verändert: »Tendenziell finde ich, dass ich besser singe als auf den ersten Alben, weil ich gerade in Sachen Timing ein paar Sachen begriffen habe, die ich insbesondere von Joni Mitchell gelernt habe.«
Erstaunlich an 30 Jahren Erdmöbel ist die Kontinuität, mit der die Band am Ball geblieben ist. Längere Pausen, zwischenzeitliche Auflösungen, ständiger Personalwechsel, Solokarrieren? Fehlanzeige. Erdmöbel sind stets die etwas widerborstige Einheit geblieben, die sturen Kopfes an ihrer abseitigen, schlauen Version gefälliger Popmusik gefeilt hat — und dabei auf eine erlesene, aber umso treuere Gefolgschaft zählen konnte. Kurzum: ein Unikat. Eigentlich das Schönste, was man in der Kunst erreichen kann!
Konzert: Mo 7.7., Philharmonie, 20 Uhr