Kämpfen ohne Fäuste
»They’re not like us / They’re not like us«: Kaum eine Hook hat sich in den letzten zwölf Monaten so verfangen wie der Refrain von Kendrick Lamars Überhit »Not like us«. Der Song schoss in die Charts, Lamar trat im Super Bowl auf, der größten Live-Sportveranstaltung der Welt, und gewann im Anschluss fünf Grammys.
Die Geschichte des Rap ist selbstverständlich von Diss-Tracks und Battles geprägt, aber »Not like Us« sprengt alle bisherigen Dimensionen. Das bekommt primär der kanadische HipHopper Drake zu spüren, das Ziel der harten Vorwürfe und Herabwürdigungen. Sich mit Worten zu bekämpfen, gehört seit Tag Eins zum Rap-Repertoire und reicht sogar noch weiter zurück, schaut man sich die Ursprünge an: »Battlen« nahm seinen Anfang in den lyrischen Beschimpfungen auf den Straßen Harlems zu Zeiten der Beat-Szene der 1960er.
Der Battle besteht nur im Moment. Das zeigt sich schon an seinen Formaten, die geprobte Verse verbieten und auf Ad-hoc-Freestyle-Material bauen
In Deutschland rezipierte man ab Mitte der 80er Jahre HipHop und versuchte sich selbst daran —hervorzuheben sind die beiden Pionierprojekte LSD und Äi-Tiem aus Köln —, weswegen auch bald in der Sprache der Dichter und Denker beleidigt wurde. Dennoch hat es bis ins Jahr 2025 gedauert, bis mit »Battlerap« von Rafael Schmauch (Ventil Verlag) die mutmaßlich erste große Aufarbeitung der deutschen Battlerap-Geschichte vorgelegt wurde. Der in Berlin lebende Schmauch ist selbst Teil der Szene, sammelt unter dem Pseudonym »Papi Schlauch« Verse, Reime und Fame. Nun folgt ein Buch, das ganz offensichtlich von Schmauchs Leidenschaft und Begeisterung für das Genre getragen wird. So macht er als Autor keinen Hehl daraus, dass ihm eine gewisse Objektivität abgeht. Entsprechend nimmt »Battlerap« mehrfach die Form eines Szenereports an, der von Details und Hintergrundwissen geprägt ist. Was hatten sich die Kontrahenten Laas Unlimited und Drop Dynamik nach ihrem Battle 2013 noch zu sagen? Herrscht zwischen Ssynic und Bong Teggy auch außerhalb des wohldefinierten Rahmens des Battles eine Feindschaft?
Abgesehen von diesen Passagen führt das Buch auf mehr als 200 Seiten in das Fach ein, grenzt Battlerap von den prominenteren HipHop-Formen der gängigen Single- und Albumveröffentlichung ab und erklärt wichtige Begriffe wie »Angle« (der thematische Schwerpunkt bzw. die Strategie eines Battlerappers) oder »Biten« (das unzulässige und verpönte Plagiieren von Rap-Versen). Dabei gewährt Schmauch Zutritt zu einer Szene, die abseits der ganz großen Öffentlichkeit stattfindet. Battlerap ist nämlich der prozessuale Bruder jener Songs, die es in die Charts schaffen. Der Battle ent- und besteht eigentlich nur im Moment. Das zeigt sich schon an seinen Formaten, die mitunter vorgeschriebene oder geprobte Verse verbieten und ausschließlich auf Ad-hoc-Freestyle-Material bauen. Ein weiteres Format ist der A-cappella-Rap, bei dem ohne Beat und ohne Beschränkungen in Takt oder Tempo verbal aufeinander eingeprügelt wird. Das erinnert weniger an Luciano oder Xatar, dafür bisweilen an Poetry Slams.
Zur eigenen Ehrenrettung legt Schmauch Wert auf die »Künstlichkeit« der Texte, in denen die Mütter der Kontrahenten regelmäßig sexuell befriedigt oder gar missbraucht werden. Es sei alles nur ein Spiel, ein Versuch, den Gegner auf der Bühne bloßzustellen, eine Show — oftmals hassten sich die Kontrahenten gar nicht wirklich: »Durchdachte Wortspiele, lustige Szenarien oder komplexe Reimketten brauchen nicht zwingend wahrhaftige Feindseligkeit, um zu funktionieren.« Schmauch selbst nennt die gruppenbezogenen Beleidigungen, die homophob, rassistisch oder behindertenfeindlich sein können, den »Elefanten im Battlerap-Raum« und widmet diesem ein ganzes Kapitel.
Ja, Battlerap ist niemals clean, bleibt immer transgressiv und erfordert deshalb ein besonderes Maß an Ambiguitätstoleranz. Gerade wenn man »außerhalb des Cyphers andere Werte vertritt«.
Schmauchs Betrachtungen sind insbesondere für diejenigen, die bisher mit Battlerap-Turnieren nicht vertraut sind, eine Einführung in das eigenwillige Fach »Beleidigung für Profis«. Wer bei der Lektüre eine neue Liebe entfacht sieht, kann diese live austesten, denn Turniere des Formats »Future of Battlerap« finden regelmäßig in Köln und Düsseldorf statt.
Buch: Rafael Schmauch, »Battlerap. Die Kunst der Beleidigung«, Ventil Verlag 2025, 248 Seiten, 22 Euro