Cin Cin: Apéro auf der Piazza Eigelstein

»Der Vibe von Mailand«

Der Apéro gehört in Italien zum Alltag. In Köln kommt der Trend gerade an

Auf dem kleinen Screen im ICE 1156 von Berlin nach Köln findet man zwischen der Geschwindigkeitsanzeige und dem Routenverlauf einen etwas generischen Slogan: »Apéro Time is now«. Beworben wird damit eine Sommer-­Aktion im Bordbistro, während der man sich in der Bahn einen unterdurchschnittlich leckeren, vorgemixten Aperitivo kaufen kann.

Wenn selbst die Gastronomie der Deutschen Bahn die Aperitif-Kultur bewirbt, dann sollte die Frage gestellt werden: Ist Deutsch­land endlich Apéro-Land?

In Köln lässt sich auf jeden Fall ein Trend erkennen. Seit einigen Jahren bieten immer mehr Gastronomien in Köln klassische Drinks und Snacks an. Das Oté, die renommierte Cocktailbar Suderman oder die junge Off-Bar — sie alle sind modern, urban und sprechen junge Menschen an. Aber wollen die auch Aperitivo? 

Früher Mittwochabend, die Off-Bar ist rappellvoll. Gut, Frage teilweise beantwortet. »Ich glaube, die Pandemie hat dazu geführt, dass man weiß, wie es ist, wenn man nicht mehr rausgehen kann. Ich habe das Gefühl, die Leute erleben bewusster, wie schön es ist, mit Menschen zusammenzukommen und einen Drink zu trinken«, sagt Raffaela Hampf, die mit vier anderen die Bar betreibt. Lifestyle-Trends auf Social Media und Marketing-Kampagnen von Unternehmen erfüllen sicherlich auch ihren Zweck. 

Wir trinken einen Negroni Sbagliato, das »Signature-Getränk« des Ladens, und schauen uns die Karte an. Es gibt alles andere als gewöhnliche Snacks, sie heißen hier »Hungry Headliner« und tragen Namen wie »Remember Me« (Geschmorte Riesenbohnen, sautierter Spinat) und «Exquisite Tension« (Schmelzkartoffeln, Buttermilch, Limette, Kräuteröl). Die Qualität der Drinks ist gut und das Essen außergewöhnlich. Nur das Prädikat »italienisch« will Raffaela Hampf ihrer Bar nicht zuschreiben, obwohl viele italienische Klassiker auf der Karte stehen. »Unsere Bar hat nichts mit Italien zu tun, es ging uns vor allem um das Lebensgefühl, das man aus Italien kennt. Dieser Vibe von ­Mailand.«

Wenn die Off-Bar nicht italienisch sein will, wo sind sie dann, die Bars mit schlichtem Interieur, mit den salzigen Chips und der Focaccia, dem Blick auf die volle Piazza, den wir alle vom Italien-Urlaub kennen?

Eine gibt es neuerdings in der Südstadt. Etwas unbeholfen fragen zwei junge Gäste im L’assagio da Rocco die Servicekraft: »Können Sie uns bei der Karte helfen? Wir sind noch etwas verwirrt.« Was auf dem ersten Blick vielleicht anspruchsvoll aussieht, ist eigentlich gar nicht kompliziert. In dem Aperitivo-Laden gibt es tapasartige Assagi, übersetzt »Kostproben«, die man entweder einzeln bestellen oder in Kombination aus Drink und einem typisch italienischen Tagliere, einer gemischten Platte, verkosten kann. Im L’assagio da Rocco sind das zum Beispiel frittierte Auberginen-Bällchen oder süditalienischer, gekochter Cime di Rapa. 

Ganz gleich, wo man sowohl essen als auch trinken will, muss man mit recht hohen Rechnungen klarkommen

»Vor zehn Jahren war das Bewusstsein für neue Genussformen hier noch nicht so stark ausgeprägt«, sagt Rocco Lo Piccolo, Namensgeber und Mitbetreiber. »Da ging man klassisch essen: Vorspeise, Hauptgang, Dessert. Dieser fließende Übergang vom Aperitif ins Abendessen passt jetzt besser ins Lebensgefühl der Menschen.« Das Viertel rund um den Chlodwigplatz ist schon länger für seine italienischen Gastronomien bekannt. Direkt gegenüber vom L’assagio da Rocco gibt es die Bar Formula Uno, die für nur sechs Euro etwas günstigere Aperitivi, allerdings keine so hochwertigen Happen anbietet.

Was ist nun das Fazit zur Apéro-Kultur in Köln? Sie ist beliebt, lebendig und vor allem vielseitig. Ob modern mit DJ-Sessions wie in der Off-Bar oder klassisch und authentisch wie im L’assagio da Rocco. Doch ganz gleich, wo man sowohl essen als auch trinken will, muss man mit recht hohen Rechnungen klarkommen. Denn wir sind immer noch in Köln und nicht auf ­einer italienischen Piazza.

Formula Uno, 50667 Köln, Südstadt, Zugweg 2, Tel. 32 13 34, Ö: 8–24
L’assagio da Rocco, 50677 Köln, ­Südstadt, Zugweg 1, Ö: 11.30–23, R: So
Off Bar, 50674 Köln, Kwartier Lateng, Luxemburger Str. 46, Mi/So 18–1, Fr/Sa bis 4
Oté, 50668 Köln, Nordstadt, Eigelstein 122, Ö: Mo 18–24, Di–Do 12–1, Fr/Sa bis 2, So bis 22
Suderman, 50670 Köln, Agnesviertel, Sudermanplatz 3, Ö: 18–1, Fr/Sa bis 2, R: So