Auf dem Weg zur Genossenschaft
Und das macht ihr alles selber?
Das ist häufig die erste Reaktion, wenn Leute bei uns vorbeischauen, um die Redaktion oder überhaupt den Verlag kennenzulernen. Jeden Arbeitsschritt bis zur Druckmaschine machen wir hier im Hinterhaus in der Maastrichter Straße 49 selber. Früher haben wir sogar den Postvertrieb für unsere Abonnent:innen übernommen. Das wurde dann irgendwann wirklich zu viel. Wobei unser Arbeitsmodus durchaus so ist, immer etwas zu viel zu machen.
Das ist der Preis der Unabhängigkeit von großen Konzernen. Den wir gerne bezahlen: Weil die große Selbstbestimmung, trotz aller ökonomischen Zwänge unsere Arbeit besser gemacht hat und uns selber mehr Spaß. Es gibt keine Chefin, die herumbrüllt, und keinen Verleger, in dessen Kalkül kommerzielle Absichten und politische Rücksichtnahmen sich unglücklich verbinden.
Im Vordergrund steht für uns unabhängiger, kritischer Lokaljournalismus. Dass dieser in der Krise sein soll, haben wir selber in unserer Arbeit nie gespürt: Wir haben immer als unsere Aufgabe verstanden, das, was Monat für Monat in Köln passiert, zusammenzufassen, zu analysieren, einzuordnen. Was in Köln passiert ist — das kann man auch woanders lesen. Aber was das zu bedeuten hat — das haben wir herausgearbeitet.
Der Druck, der auf unserer Arbeit und unserem Verlag lastet, hat in den vergangenen Jahren und ganz besonders in den letzten Monaten enorm zugenommen. Wir haben das offen kommuniziert: Mit unserer Kampagne »Rettet die Stadtrevue«, ohne die wir längst schon pleite wären; und zuletzt mit unserer Mitteilung, dass wir uns seit Mitte Juli in der »vorläufigen Eigenverwaltung« befinden. Dieses Verfahren bietet uns die Möglichkeit, unsere Sanierung mitzugestalten. Es geht darum, wie wir unsere Konzernunabhängigkeit in eine neue Form bringen können. Eine Form, die uns besser abschirmt vor ökonomischen Krisen, die aber auch bewerkstelligen hilft, dass wir unsere Arbeit neu aufstellen können.
Das wird die Genossenschaft sein. Der Kollektivbetrieb Stadtrevue wandelt sich zur Stadtrevue-Genossenschaft. Eigentümer sollen künftig nicht nur die Beschäftigten sein, sondern auch Leserinnen und Leser sowie Unterstützer, die Anteile der Genossenschaft erwerben.
Die Genossenschaft entscheidet über Zukunftsprojekte, sie beschließt langfristige Investitionen, entscheidet über Neueinstellungen
Dieser Weg ist erprobt: Das bekannteste Beispiel für eine Mediengenossenschaft ist die taz. Aber auch das Neue Deutschland, jetzt nd. Aktuell, und die Junge Welt haben sich als Genossenschaften neu aufgestellt. Das Prinzip ist einfach: Man zahlt eine Einlage, sagen wir mindestens 250 Euro, und wird dadurch Mitglied der Genossenschaft. Jedes Mitglied hat eine Stimme, egal wie hoch die Einlage ist. Der Genossenschaft gehört der Verlag, also ist jedes Mitglied zugleich Verlegerin und Verleger.
Weil es ein langwieriger Prozess ist, eine Genossenschaft zu gründen, werden wir zunächst einen Förderverein gründen: Stadtrecherche e.V. Dessen Aufgabe ist neben der Unterstützung von Recherchen und der Erweiterung unseres digitalen Angebots auch die Vorbereitung der Gründung der Genossenschaft.
Stadtrecherche soll weitere finanzielle Mittel bereitstellen, um unsere Arbeit auf eine sichere Grundlage zu stellen. Im Austausch mit der Stadtrevue wird Stadtrecherche den Diskurs einer kritischen Öffentlichkeit in Köln organisieren helfen. Denn Zweck ist und bleibt die Unabhängigkeit unserer journalistischen Arbeit. Förderverein und Genossenschaft werden nicht zu manipulativen Manövern missbraucht werden können. Überhaupt unterliegen Genossenschaften strengen Regularien, um etwa Geldwäsche oder Veruntreuung der Einlagen zu verhindern.
Was die Genossenschaft leisten soll: Sie entscheidet über unsere Zukunftsprojekte, sie beschließt langfristige Investitionen, entscheidet über Neueinstellungen. Kurz gesagt: Um unsere journalistische Unabhängigkeit zu bewahren, werden wir uns mit der Genossenschaft eine breitere verlegerische Grundlage schaffen.
Worum geht es uns inhaltlich? Man recherchiert immer mehr als das, was man schließlich aufschreibt. Das ist eine Faustregel des Journalismus. Wir sind an einem Punkt, wo wir feststellen: Wir stoßen an unsere Grenzen, wir können längst nicht mehr alles das umsetzen, was wir zu recherchieren begonnen haben. Die Arbeit macht uns Spaß — und sie ist kräftezehrend. Irgendwann wird das kontraproduktiv.
Um unsere Recherchen zu vertiefen, Themen intensiver zu begleiten, unsere Texte digital besser aufzubereiten, um Neues zu entdecken und mehr abzubilden von dem, was in der Stadt passiert — dafür brauchen wir eure Unterstützung. Wir wollen einen Recherchefond aufbauen, damit Kolleginnen sich ganz ihren Recherchen widmen können. Und mittelfristig brauchen wir auch neue Kolleginnen und Kollegen, die mit uns das Stadtgeschehen aufrollen.
Die Zeit rennt. Die »vorläufige Eigenverwaltung« — der Name verrät es — ist kein Dauerzustand. Bis Ende September müssen wir einen Plan vorgelegt haben, wie wir zukünftig weitermachen wollen. Wir werden über unsere Homepage und Social-Media-Kanäle und im Magazin über unsere weiteren Schritte informieren. Auf unseren ersten Aufruf zur Gründung einer Genossenschaft haben sich nur wenige Tage, nach dem wir damit online gegangen sind, 400 Leute gemeldet, um von uns auf dem Laufenden gehalten zu werden. Bei Redaktionsschluss waren es über 700. Ein wunderbares Feedback. Aber wir stehen noch am Anfang. Der Weg wird lang. Wir wissen aber jetzt schon, dass wir ihn nicht alleine gehen werden.
Euer Stadtrevue-kollektiv
Du willst mehr über den Förderverein und die Genossenschaft erfahren?
Komm am 17. September ins Bürgerhaus Stollwerck, 19.30 Uhr, Raum 416
Wie geht es weiter mit der Stadtrevue? Wie ist unsere Lage, was planen wir für die Zukunft? Darüber wollen wir, das Stadtrevue Kollektiv, informieren — und Stadtrecherche vorstellen. Stadtrecherche ist der neugegründete Förderverein, der unsere Arbeit unterstützen wird. Wir sehen uns!
Kontakt zum Verein Stadtrecherche: info@stadtrecherche.de