Weder Club noch Galerie: Traenor (rechts) und Tolmie; © James Clarkson

Im Niemandsland

Cara Tolmie & Rian Treanor verwandeln die Night of Surprise in etwas Krasses

Am 18. Oktober findet im Stadt­garten die zehnte Ausgabe der Night of Surprise (NoS) statt. Man kann sich dieses Festival für auf­regende Musik der Gegenwart in Form von Astronautennahrung — Verdichtung der Nährstoffe auf ­Pillengröße (hier: Festivalprogramm für eine Woche und eine ganze Stadt konzentriert auf eine Nacht und einen Ort) — nicht mehr aus dem Musikkalender der Stadt wegdenken. Es ist so, als ­be­glei­tete uns das Festival schon seit Ewigkeiten.

Für die Jubiläumsausgabe hat das Kuratorenteam um ­Thomas Glaesser die Schwarm­intelligenz aktiviert: Wen empfehlen ­Musiker, die bereits auf der NoS ­gespielt ­haben? Kurzum: 150 ­Mu­siker machten insgesamt 400 Programmvorschläge — für etwa 20 Slots während der NoS. 

Das nennt man Qual der Wahl. ­Machen wir es noch rigider und schauen bloß auf einen Act, dem man aber ­exem­plarisch für die ­Experimentiereuphorie der NoS nehmen kann: Cara Tolmie & Rian Treanor. Die haben gerade ihr »Body Lapse« (Planet Mu) ver­öffentlicht, und es ist spektakulär. 

Die Stimme stolpert, die Beats ­haken: Reibung, Aussetzen, Überlagerung. Tolmie, Performancekünstlerin, in Glasgow ­geboren, in Stockholm arbeitend, hat ein Faible für Körper als ­Resonanzräume, macht Gesang zu ­etwas, das sich gegen die ­Konvention sperrt: Stöhnen, Hauchen, Lachen. Treanor, Sohn aus Rotherham, seit Jahren auf der Suche nach dem Club, der nicht nur Euphorie, sondern auch ­Friktion produziert, baut dazu Rhythmen, die sich ständig selbst zerlegen. Zwei Ansätze, die sich nicht ­ergänzen, sondern gegen­seitig verunsichern.

Ihre Musik ist schön und ­unheimlich zugleich. Doch bevor man sich an die Tracks gewöhnt, brechen wieder digitale Splitter herein. Kunst oder Club? Falsche Frage! Die Tracks sind eigentlich zu lang für ein gewöhnliches ­Konzert und zu widerspenstig für den Dancefloor. Aber gerade in diesem Niemandsland schlagen sie ihre Zelte auf. Es kommt zu ­Situationen, in denen die Stimme im Lärm ertrinkt, in denen der Beat nur noch Störung ist. Doch darin steckt ihr Programm: kein Konsens, keine beruhigende ­Harmonie. Statt­dessen ein fort­gesetztes Miss­verständnis, das ­seltsam produktiv wirkt.

Am Ende bleibt ein Album, das nicht einlullt, sondern wach macht: für das Unfertige, das ­Holprige, das Widerständige. Und genau damit sind sie prädestiniert für die Night of Surprise.

Night of Surprise, Sa 18.10., Stadtgarten, All Area, ab 19 Uhr, Eintritt frei, Programm unter stadtgarten.de