Bald kein Denkmal mehr? Hörsaalgebäude der Universität zu Köln

Angriff aus den eigenen Reihen

Die Landesregierung will den Denkmalschutz weiter schwächen — angeblich aus sicherheitspolitischen Gründen

Kasernen, Gedenkstätten, ­Hochschulgebäude, Bahnhöfe oder Brücken — all diese und ­andere Denkmäler könnten bald ­ihren Schutzstatus verlieren, wenn es nach dem Willen des NRW-­Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitali­sierung geht.

Kurz vor der Sommerpause brachte das CDU-geführte Ministerium einen Gesetzesentwurf ein. Eigentlich geht es darin um Änderungen an der Landesbauordnung: Sie sollen das Bauen ­einfacher machen, indem etwa bestimmte Standards gesenkt werden. Daneben aber sollen auch »weitere Vorschriften« geändert werden. Diese betreffen den Denkmalschutz — und wären durchaus gravierend, sollte der Landtag das Gesetz tatsächlich so beschließen. 

Demnach sollen alle Anlagen, die der Verteidigung, dem Katastrophenschutz oder »der Abwehr sonstiger außergewöhnlicher ­Ereignisse zum Schutz der Bevölkerung« dienen können, nicht mehr dem Denkmalschutzgesetz unterliegen. Dies sei nötig, um die ­Rahmenrichtlinien für die ­Gesamtverteidigung (RRGV) des Bundes umzusetzen, heißt es im Entwurf. Und es geht noch weiter: Wenn dies aus »besonderen ­Sachgründen« geboten sei, soll die Oberste Denkmalbehörde — also das Ministerium unter Ina Scharrenbach — die Zuständigkeit in Denkmalfragen von Kommunen und Fachämtern wie dem LVR an sich ziehen ­können. Für Liegenschaften im Landes- oder Bundesbesitz sollen Fachämter die Eintragung als Denkmal erst gar nicht mehr ­beantragen dürfen. Auch Bodendenkmäler wären von der ­Regelung betroffen. 

»Das ist eine Attacke gegen die Fachlichkeit«, sagt Tobias Flessenkemper, Vorsitzender des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL). Die sicherheitspolitischen Gründe seien nicht überzeugend. Denn schon jetzt trete der Denkmalschutz im Kriegs- oder Katastrophenfall zurück, weil der Schutz des Lebens dann stets vorgehe, so Flessenkemper. »Es ist ja voll­kommen klar, dass die Hohen­zollernbrücke in diesem Fall kein Denkmal mehr ist, sondern eine wichtige Verkehrsader.« Vielmehr gehe es um Interessen der Bauwirtschaft, glaubt Flessenkemper.Das Ministerium wirbt mit dem Slogan »NRW — the place to ­bau« — und im Denkmalschutz ­sehen Bauwirtschaft und -ver­waltung vor allem einen Faktor, der Prozesse verlangsamt. »Wenn nicht erst archäologische Gra­bungen gemacht werden ­müssen, könnte eine Autobahn ­natürlich schneller gebaut ­werden«, so ­Flessenkemper.  

Hinzu kommt, dass die ­Sonderrolle für Landesliegenschaften und die Tatsache, dass die Ministerin Zuständig­keiten an sich ­ziehen können soll, gar keinen ­Bezug zum Thema ­Wehr­haftigkeit ­haben. Die RRGV wiederum fordert gar nicht, das Denkmalschutzgesetz anzu­passen. Stattdessen soll Vorsorge getroffen werden für den Schutz des ­Kulturguts. Welche Veran­lassung also gibt es für den Ge­setzes­entwurf? Das Bauministerium gibt auf all diese Fragen keine ­Antwort. Der Prozess befinde sich noch in der Verbändean­hörung, so ein Sprecher. Wer ­dabei angehört wird, ist auch nicht zu erfahren. 

Wenn nicht erst ­archäologische ­Grabungen gemacht werden müssen, könnte eine Autobahn natürlich schneller gebaut werdenTobias Flessenkemper, RVDL

Schon 2022 hat der Landtag auf Scharrenbachs Initiative hin das Denkmalschutzgesetz geändert — und abgeschwächt, wie ­viele Denkmalschutzorganisa­tionen meinen. Spätestens 2025 soll das Gesetz deshalb evaluiert ­werden — so haben es CDU und Grüne im Koalitionsvertrag vor drei Jahren vereinbart. Doch ­bevor eine Evaluation vorliegt, macht die ­Ministerin schon die nächste ­Baustelle auf. »Wir ­pochen auf die Evaluation und können den ­aktuellen ­Gesetzes­entwurf erst bewerten, wenn die Ergebnisse vorliegen«, sagt Frank Jablonski, kulturpolitischer ­Sprecher der Grünen im Landtag. Einige seiner Parteifreunde aus der Landschaftsversammlung Rheinland äußern sich deutlicher. »Nun liegt es an uns in den Landschaftsverbänden, aber auch an Euch in den Städten und ­Kreisen, Druck auf die Landes­regierung und die Landtags­abgeordneten aufzubauen, damit dieser Ge­setzesentwurf nicht ­tatsächlich zum Gesetz wird, denn damit wäre der Denkmalschutz, wie wir ihn kennen, wohl endgültig ­Geschichte«, heißt es in einer ­Mitteilung des Fraktionsvorstands. 

»In der Ukraine wird der ­Denkmalschutz gestärkt, weil es Ziel der Russen ist, die kultu­relle Identität des Landes zu ­zerstören«, sagt Tobias Flessenkemper vom RVDL. Auch hier­zulande müsse man sich auf den Krisenfall vorbereiten. »Aber die Ministerin instrumentalisiert nun eine ­notwendige Diskussion und ­riskiert damit die europäische Vorreiterrolle NRWs als ­Kulturland.«