Spektakuläre Performance: August Diehl © Lupa Film, CG-Cinema, Hype Studios

Das Verschwinden des Josef Mengele

Der SS-Verbrecher aus Auschwitz in seinem südamerikanischen Exil

Rattenlinie. Ein passender Name für den Fluchtweg, auf dem zahlreiche Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg das sinkende Schiff ­verließen. Von alten und neuen Sympathisanten unterstützt, ­fanden viele von ihnen in Südamerika eine neue Heimat. ­Besonders in Argentinien, wo Juan Péron zu faschistischem ­Gedankengut neigte und die ­Expertise der Alt-Nazis zum industriellen Aufbau des Landes nutzte. Neben Adolf Eichmann, der später vom Mossad entführt und in Israel vor Gericht gestellt werden sollte, war es besonders Josef Mengele, der an KZ-Häftlingen grausame Experimente durchgeführt hatte, der lange Jahre ein recht unbeschwertes Leben in Argentinien führen konnte.

Von diesem Leben erzählt nun der russische Regisseur Kirill Serebrennikov, der seit einigen Jahren in Berlin im Exil lebt. Als Basis dient ihm ein Tatsachen­roman des französischen Autors Olivier Guez, der Mengeles Flucht und sein Leben in Südamerika ­penibel recherchierte und der Wahrheit vermutlich sehr nah kam. Diese Wahrheit wirkt oft haarsträubend. Sie erzählt von der Nachlässigkeit, mit der im Nachkriegsdeutschland mit ­hochrangigen Nazis umgegangen wurde, vor allem aber auch von einem Mann, der vor seinen Taten und seiner Vergangenheit davonrannte und sie bis zum Ende ­verdrängte. August Diehl spielt ­Mengele in einer spektakulären Performance. In den 50er Jahren ist er noch ein selbstbewusster Mann, der wie ein Gutsherr agiert und mondäne Partys für die anderen Deutschen im Exil und ihre südamerikanischen Sympathisanten schmeißt. Doch schon bald wird er angesichts der sich ändernden Weltlage zunehmend paranoid und depressiv.

In markantem Schwarz-Weiß hat Serebrennikov gefilmt, das umso bedrohlicher wirkt, je mehr sich Mengele in die Enge getrieben sieht. Nur für einen Moment strahlt die Sonne in einem perfiden Augenblick farbig, wenn sich Mengele an seine Zeit in Auschwitz erinnert. Allerdings nicht an die Grauen des Lagers, sondern an einen bukolischen Moment, den er auf einer Wiese am See mit seiner Frau verbrachte. »Ich könnte heute früher Schluss machen«, sagt Mengele da zur Freude seiner Frau. Hannah Arendts Satz von der Banalität des Bösen wirkte selten so passend.

Eine späte Ironie: Mengeles Knochen, erst Jahre nach seinem Tod durch moderne DNA-Analyse identifiziert, landeten in einer Universität in São Paulo. Dort dienen sie Studenten der Forensik als Übungsmaterial.

D/F 2025, R: Kirill Serebrennikov, D: August Diehl, Max Bretschneider, Dana Herfurth, 135 Min., Start: 23.10.