Oma mag’s leicht scharf
In den vergangegen Jahren haben viele Gaststätten mit einem »Konzept« eröffnet. Oft ist das etwas hochtrabend, weil eigentlich nur saisonal oder vegetarisch aufgetischt wird, weil man Klassiker »neu interpretiert« oder weil die Speisekarte unter bestimmten Gesichtspunkten »kuratiert« wird. Offenbar braucht es einen Überbau, eine Story — die Gäste möchten womöglich den Eindruck gewinnen, an etwas Besonderem teilzunehmen.
Solche Lokale sind auf ein großstädtisches Publikum ausgerichtet. Dann wird etwa vorausgesetzt, dass die Gäste die neuesten Trendgerichte ohne weitere Erklärung kennen. Es ist ein Publikum, dass sich über globale Food-Trends informiert fühlt und gewillt ist, Neues zu kosten. Und sei es vorrangig, um den Teller zu fotografieren und seinen Besuch anderen zu zeigen.
Das Omagerichte in Bayenthal hingegen gehört zu den neuen Lokalen, in deren Küche man sich von den Speisen der Vergangenheit anregen lassen. Es gab das Comeback des Krabbencocktails, Rückgriffe auf Rezepte der Römerzeit oder die Popularisierung zwischenzeitlich vergessener Zutaten wie Pastinaken, Grünkohl oder Graupen. Und wenn sich nun Omagerichte auf Hausmannskost der 60er und 70er Jahre spezialisiert, ist das eine Marktlücke.
Das Restaurant, nur abends geöffnet, ist an diesem Tag unter der Woche ausgebucht. Die Restaurantleitung versichert, auch ältere Menschen seien oft zu Gast. Heute aber ist das Publikum mittleren Alters und — das ergibt sich aus den Gesprächen am Tisch — gut informiert über das, was sich in der Kölner Gastronomie tut.
Es gibt pro Abend nur ein einziges Gericht: Hackbraten, Gulasch, Königsberger Klopse oder Fischfilet mit Kartoffelsalat. Gekocht werden sie von den »Omas«, die Laura, Sabine, Monika oder Lida heißen, es sind sozusagen deren signature dishes. Zuvor hat der Gast sich über die Homepage einen Termin mit dem Tagesgericht (22,50–24,50 €) und ein Getränkepaket (9,50 €, mit Bier und Wein 18,50 €) reserviert. Man bucht ein bis sechs Plätze und sitzt in der Regel mit Unbekannten an einem der Tische. Bei Omagerichte isst man früh zu Abend, letzte Einlasszeit ist 19.30 Uhr. Und weil es nur dieses eine gebuchte Gericht gibt und kein Menü, fragt sich ein guter Esser: Wird man davon satt? Aber ja, man darf Nachschlag ordern!
Am Tisch spricht man bald über die eigene Oma und Kindheitserinnerungen an gestärkte Tischdecken
Der Gulasch schmeckt gut, auch ohne allzu viel aromatische Tiefe, die Schärfe überrascht den einen oder die andere am Tisch. Die Getränke holt man für sich und für die anderen, mit denen man gerade Bekanntschaft schließt, aus dem Gastronomie-Kühlschrank, an der modernen Kaffeemaschine oder aus dem Weinkühler davor (drei gute Trinkhilfen in allen drei Farben).
All das geschieht nach einer Idee von Criss Casper Gross, der im Hoteltrestaurant Clostermanns Hof in Niederkassel gelernt hat. In Bayenthal ist seine Aufgabe, so steht es auf der Homepage, »Omas Herzensrezepte so zu skalieren, dass sie auch für 70 Gäste pro Abend ihren einzigartigen Charakter behalten«. Während die Frauen mit Fleisch kochen, bereitet Gross vegatarische Varianten dieser Gerichte zu. Fragt man die betreuende Oma, welcher Fleischersatz im vegetarischen Gulasch Verwendung fand, kommt zur Antwort: »Ich koche doch nur die echten Omagerichte!« Doch als unsere Oma die nächste Schüssel mit dem Wachsbohnensalat als Beilage bringt, erfährt der Tisch, dass es Tofu war.
Am Tisch spricht man schon bald über die eigene Oma und schwelgt in Kindheitserinnerungen, etwa an die gestärkten Tischdecken, unter denen Gummimatten gespannt waren, für den Fall dass der Enkel die Fanta umkippt. Tischdecken gibt es hier nicht. Zwar ist das Geschirr schönstes Porzellan, aber ansonsten wird in der Gestaltung des Lokals keine Nostalgie bedient. Es ist vielmehr von zeitgeistigem Zuschnitt, der fensterlose Gastraum der einstigen Kneipe ist akkurat gestaltet: eine modische Mooswand an der Stirnseite, im Eingangsbereich aufwändige Floristik, ein Sekretär und gut gesetzte Beleuchtung. Ja, es ist gemütlich. Und jetzt gibt es sogar noch etwas Nachtisch: Die Oma reicht ein Tellerchen mit Nussecken-Würfel. Bald ist es dann Zeit, aufzubrechen. Eine letzte Frage an die Oma: Ob demnächst auch Opas kochen könnten? Das werde überlegt, kommt zur Antwort. Aber was gibt es dann zu wohl essen, fragt jemand am Tisch: Ravioli aus der Dose? Großes Gelächter zum Abschied, man schlendert vergnügt und gesättigt zur Garderobe.
Omagerichte, 50968 Köln, Bayenthal, Alteburger Str. 299, Reservierung via omagerichte.de