Schuld und Sühne

 

Drama: »Match Point« von Woody Allen

Wenn Woody Allen bei guter Gesundheit bleibt, wird seine Filmographie im nächsten Jahrzehnt dem Abreißkalender eines halben cinéastischen Jahrhunderts gleichen. Seit »What’s Up, Tiger
Lily« (1967) dreht er im Schnitt einen Film pro Jahr und pflegt
dabei zunehmend die eigene Obsession. »Wenn die Leute meine Filme mögen, ist es wunderbar«, und wenn nicht, so Allen, habe er wenigstens wieder ein Jahr in der irrealen Filmwelt überlebt. In »Match Point« kultiviert Woody Allen seine splendid isolation nun auch auf der britischen Insel und hat dafür eine moralische Mausefalle irgendwo zwischen William Thackeray und Agatha Christie aufgestellt.
Der junge Tennislehrer Paul (Jonathan Rhys-Meyers) tritt gerade seine Stelle in einem exklusiven Londoner Club an, als ihn ein günstiges Schicksal mit der Millionenerbin Chloe (Emily Mortimer) verkuppelt. Obwohl er sie nicht liebt, verfällt der ehrgeizige Habenichts bald den Verlockungen der Oberklasse: den kultivierten Wochenenden auf dem Schloss, dem Loft mit Themseblick, der Protektion durch den zukünftigen Schwiegervater ... Schließlich wird Hochzeit gefeiert, und Paul rüstet sich für das unglücklich-glückliche Leben eines klassischen Emporkömmlings, der die Romantik dem erreichten Lebensstandard unterordnet.
Natürlich lässt Woody Allen seinen Parvenü damit nicht davonkommen. Stattdessen setzt er ihm mit der amerikanischen Schauspielerin Nola (Scarlett Johansson) einen Köder vor die Nase, dem dieser unmöglich wiederstehen kann. Von Anfang an begehrt Paul die Verlobte seines Schwagers in spe, und als dieser sie für eine standesgemäßere Heirat sitzen lässt, stürzt sich Paul in eine Affäre mit ihr. Dann kommt es, wie es kommen muss: Nola wird schwanger, Paul schwört, dass er sich scheiden lässt und kann sich doch nicht dazu entschließen.
Man hat sich daran gewöhnt, dass Woody Allens menschliche Komödien mit den Jahren immer düsterer werden. Es ist also nicht wirklich überraschend, wenn in »Match Point« aus einem Herzen eine Mördergrube wird und aus einem Melodram um den Gegensatz von Stand und Liebe ein philosophisch unterfüttertes Kriminalstück.
Und doch ist sein neuester Film nach einigen Enttäuschungen eine Rückkehr zu alter Meisterschaft: Wie Allen sein stets distinguiertes Spiel mit den Konventionen der britischen Gesellschaft treibt und am Ende die Erwartungen bedient und zugleich übertrifft, das macht ihm so schnell keiner nach.

Match Point (dto) GB 05, R: Woody Allen,
D: Scarlett Johansson, Emily Mortimer, Jonathan Rhys-Meyers, 123 Min.
Start: 29.12.