KrimiNews
Mein Freund G. liest jetzt den Stadt-Anzeiger. Nicht freiwillig; seine Liebste wollte es so, wegen der Lokalnachrichten, wegen der Prämie und weil die taz nrw letztlich auch nicht das ist, was sie sein könnte. Fünf Minuten, sagt G., braucht er im Schnitt für die ganze Zeitung, den höchsten Informationsgehalt findet er beiliegend, in den Prospekten.
Dergestalt können auch Kölner Zeitungen Sinn machen, zu einem Kriminalroman wird man allerdings nicht inspiriert, zumindest hat G. noch keinen geschrieben. Ganz anders verhält sich das bei dem Kriminalschriftsteller Wolfgang Schorlau, in dessen Werk sich zur Zeit gleich zwei Trends vereinen: Der zum Stuttgart-Krimi und der zum historischen Kriminalroman. Inspiriert von einem Artikel in der Stuttgarter Zeitung, in dem von einem mysteriösen Skelettfund berichtet wurde, lässt Schorlau seinen Detektiv Dengler den Mord an einem amerikanischen Bomberpiloten aufklären, fast sechzig Jahre nach dem Exitus. Eine spannende Geschichte, deren dramaturgische und sprachliche Umsetzung aber nicht mit ihrem Potential mithalten kann, so dass man sich fragt, wie »Das dunkle Schweigen« im Januar im Vorderfeld der Krimibestenliste landen konnte.
Ganz vorne platziere sich da schon im Dezember völlig zu Recht ein anderer Krimi: »Das Kindermädchen« von Elisabeth Herrmann. Die Autorin las im Tagesspiegel vom schäbigen Verhalten vieler deutscher Unternehmen in Sachen Entschädigung für Zwangsarbeit - und setzte dem einen gut recherchierten, klasse konstruierten, rasanten Roman entgegen, der Unterhaltung und politische Ambition vortrefflich vereint. Auch das ein Krimi, der die Geschichte der BRD durchmisst und durchforstet.
Wie auch immer: Im Stadt-Anzeiger wird G. von alldem vermutlich nichts lesen. Es sei denn, eines der Buchkaufhäuser entscheidet sich in Sachen Wolfgang Schorlau und Elisabeth Hermann für Werbung und Prospekte.