Die Schule des Teufels
Dann war ich tot. Erschossen. *Game over*. Einziger Trost: Ich war schon sehr alt. Frühvergreist — im Kopf, so hatte man mir ja
schon gesagt.
Ich will jetzt posthum zweierlei tun: eine Erklärung abgeben und etwas erklären.
Erstens: Computerspiele, in denen Menschen totgeschossen werden, muss man verbieten. Herstellung, Vertrieb und Nutzung müssen bestraft werden. Doch
was höre ich? Games! Zukunftsbranche! Kreativwirtschaft! Standortfaktor! Ich aber sage euch: Das ist E-Learning in der Schule des Teufels.
Zweitens: Oma Porz behauptet immer, man sei so alt, wie man sich fühle. Leider stimmt es nicht. Man ist so alt, wie die anderen behaupten. So ist man schnell sehr alt: etwa, wenn man sagt: Computerspiele, in denen Menschen totgeschossen werden, muss man verbieten. Wer so spricht, mag er an Jahren auch jung sein, gilt als steinalt. Früher galt der alte Mensch als weise, heute nur als senil und inkontinent. Man äußert also in jungen Jahren besser keinerlei ethische Bedenken gegenüber dem neuesten Massengeschmack wie dem brutalen Computerspiel. Anderenfalls servieren selbst Freunde nur noch eine sedierende Brühe in der Schnabeltasse, schieben einem saugstarke Wickelauflagen unter den Hintern — und wenden sich dann kopfschüttelnd ab.
Wer militärische Computerspiele verbieten will, kündigt seine Zeitgenossenschaft auf. Bestenfalls bekommt man noch attestiert, *absolut keine Ahnung* zu haben. Zu Computerspielen darf sich nur äußern, wer selbst seine Zeit damit vertrödelt. Dabei ist Empirie hier unwesentlich. Wer sich vegetarisch ernährt, wird diese Entscheidung auch a priori treffen. Die raffiniertesten Fleischgerichte eines hoch dekorierten Maître de cuisine zu kosten, wird daran nichts ändern können. Und so war auch meine Teilnahme an einem militärischen Computerspiel eine überflüssige Beweisaufnahme.
Es gibt schlimme Dinge: Keuchhusten, SMS mit Smileys und Uli Hoeneß. All das kann man nicht per Gesetz verbieten, niederträchtige Computerspiele aber durchaus. Wie praktisch, ich bin dafür! Leider haben Verbote einen miserablen Ruf. Sie dulden keinen Widerspruch, das erscheint irgendwie undemokratisch. Man versucht lieber, Anreize für erwünschtes Verhalten zu schaffen, statt schlechtes zu ahnden. Doch auch jene, die Verbote ablehnen, können nicht darauf verzichten. Wie auch? Es gibt zu vieles, was verboten gehört. Aber Verbote sollen nicht Verbote heißen. Statt als Verbieter tritt man lieber als Beschützer auf. Es heißt deswegen Nichtraucherschutz und nicht Rauchverbot. Eine alte Masche. Sind nicht schon die Zehn Gebote eigentlich Verbote? Ich meine dennoch, es braucht Verbote, und mehr als zehn.
Verwunderlich ist, dass überhaupt gestritten wird, ob Verbote schlechtes Verhalten verhindern. Effizienz ist keine moralische Kategorie. Verbote sollen Grenzen aufzeigen und moralische Orientierung schaffen. Und wenn in Computerspielen nicht Menschen erschossen würden, sondern stattdessen sexuelle Belästigungen begangen oder rassistische Beleidigungen ausgesprochen würden, dann wäre das Spiel längst verboten — und das völlig zu Recht. Das Töten aber ist anscheinend nicht skandalös genug.
Neulich war uns langweilig. Ich schlug Tobse Bongartz vor, Schiffeversenken zu spielen. Ein Zeitvertreib, bei dem es gar nicht um Schiffe geht, sondern um angekreuzte Rechenpapierkästchen. Tobse Bongartz mag sonst jeden Retro-Quatsch, aber Schiffeversenken fand er völlig geschmacklos. Außerdem sei es kindisch. Das also bin ich: ein greises Kind.