Deutz kurz & knapp
Rheinbrücken
Fünf von acht Kölner Rheinbrücken münden in Deutz: Zoo-, Hohenzollern-, Deutzer, Severins- und Südbrücke. Für Deutz bedeutet das nicht nur eine unvergleichlich gute Verkehrsanbindung, sondern auch, ringsum mit Gleistrassen, -feldern und Brückenrampen vollgestopft zu werden. Einst musste das Viertel sogar große Teile seiner Altstadt für den Brückenbau opfern: Auf dem Gelände der heutigen Deutzer Werft verliefen fünf Gassen, die bis zum Rheinufer führten. Um einer breiteren Rampe für den Vorgängerbau der Deutzer Brücke Platz zu machen, wurden sie in den 1930er Jahren mitsamt der rechten Häuserzeile der Siegburger Straße und dem Beginn der Deutzer Freiheit abgerissen.
Gentrifizierung
Laut einer Langzeitstudie der Stadtsoziologen Jürgen Friedrichs (Uni Köln) und Jörg Blasius (Uni Bonn), die den Prozess der Gentrifizierung in den Stadtteilen Deutz und Mülheim von 2010 bis 2015 untersucht, hat sich die Deutzer Bevölkerungsstruktur in den vergangenen Jahren geändert: Demnach sind mehr Menschen mit niedrigem Bildung- und Einkommensstatus weggezogen, dafür eine einkommensstarke Schicht hinzugezogen. Die Mietpreise haben laut Studie überdurchschnittlich stark angezogen, die durchschnittliche Kaltmiete liege bei 11,50 Euro. Zudem wurden in den vergangenen Jahren viele Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt, was die Autoren ebenfalls als Zeichen einer voranschreitenden Gentrifizierung werten. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger war 2015 mit 8,2 Prozent gering (stadtweit 13,4 Prozent), das Stadtbild wenig migrantisch geprägt.
Literatur: Blasius, Jörg; Friedrichs Jürgen: Gentrifizierung in Köln. Soziale, ökonomische, funktionale und symbolische Aufwertungen. Oktober 2016, Verlag Barbara Buderich
Germanenviertel
Wenn Deutz der blinde Fleck von Köln ist, dann ist das sogenannte Germanenviertel superblind. In diese von Gotenring und Zubringerstraßen eingekeilten Straßenzüge verirrt sich kaum ein Außenstehender, in den Einfamilien- und Genossenschaftshäusern und ihren Vorgärten herrscht eindrucksvolle Piefigkeit. Als eines der ersten Gebäude im Viertel, das kaum kleiner ist als Alt-Deutz, entstand 1926 das Eduardus-Krankenhaus an der Custodisstraße als »Chirurgisch-orthopädische Klinik für Krüppelfürsorge«. Heute werden hier Spieler von FC und Fortuna behandelt.
Glücksspiel
Neben dem Deutzer Bahnhof soll demnächst ein Casino gebaut werden! Doch bevor die Deutzer sich darüber beschweren, dass ihnen die Stadt schon wieder einen zweifelhaften Neubau vor die Nase setzt: Glücksspiel hat hier Tradition! Während es in Köln streng verboten war, genehmigte der Erzbischof 1753 das Glücksspiel in Deutz. Das verschärfte natürlich den Ruf als Sündenpfuhl, den Deutz mit seinen vielen am Rhein gelegenen Gaststätten und »Lusthäusern« ohnehin schon genoss. Bereits 1596 hatte der Kölner Rat seine Bürger aufgefordert, sich »des üppigen Überfarens und Zechens in den Tavernen, Wein- und Bierhäusern« von Deutz zu enthalten.
Verkehr verkehrt? — der Gotenring
Der Gotenring, an dem auch Schulen und Kindergärten liegen, hat sich zur Schnellstraße für Raser entwickelt. Immerhin wurde im Juni in der Bezirksvertretung mit großer Mehrheit beschlossen, dort und auf der Verlängerung im Norden, der Justinianstraße, Tempo-30 einzuführen. Die Umsetzung steht noch aus. Für Hans Günter Bell von der Linken, gebürtiger Deutzer und seit 1981 wieder hier, ist das noch zu wenig. »Warum muss der Gotenring die Zufahrt auf die Severinsbrücke sein?«, fragt der gelernte Stadtplaner. »Der Verkehr könnte über den östlichen Autobahnzubringer umgeleitet werden und von da aus direkt auf die Brücke.«
Bezirksbürgermeister Andreas Hupke
Der Grünen-Politiker Andreas Hupke ist Bezirksbürgermeister der Innenstadt. Auf seinen Visitenkarten steht aber »Bezirksbürgermeister Innenstadt/Deutz« — eigentlich ist das Quatsch, denn Deutz gehört verwaltungstechnisch zur Innenstadt. Prompt wollte die Stadt das Hupke untersagen. »Aber da hab ich drauf bestanden«, so Hupke. »Denn viele Deutzer wissen gar nicht, dass sie Innenstädter sind.« So etwas kommt auf der Schäl Sick gut an, Hupke ist in zahlreichen Deutzer Vereinen Mitglied. »Und ich kenne alle Straßen dort«, erzählt er. »Ich hab mit meinem Hackenporsche zur Kommunalwahl 35.000 Flyer verteilt — und zwar in jeden Briefkasten.« Gedankt wird all das Engagement dem ehrenamtlichen Polit-Kümmerer nicht. 2014 ist mit dem Umzug vom Laurenzplatz, gegenüber dem Rathaus, an die Ludwigstraße sein Büro erheblich kleiner geworden. Egal, Hupke ist sowieso meist unterwegs: »Mit meinem Drahtesel komm ich in Köln am schnellsten voran.«
Unsichtbare Studenten
Man kann nicht behaupten, dass allzu viele crazy Ideen hier gezündet würden — weder in der Gastronomie, noch in Form von Street-Art oder Läden mit laktosefreien Wickeltaschen aus Autohimmel. Für all das braucht es nämlich Studenten. Zwar gibt es die in Deutz — aber gut versteckt. Der Campus Deutz der Technischen Hochschule liegt an der Betzdorfer Straße, im Bermuda-Dreieck zwischen Deutz-Kalker Straße und den Schnellstraßen Deutzer Ring und Östlicher Zubringer. Nach einigem Hickhack um den Denkmalschutz fiel mittlerweile die Entscheidung, das marode Hochhaus des Ingenierwissenschaftlichen Zentrums (IWZ) abzureißen. Zeitweise wurde gar eine Verlagerung in die Südstadt erwogen — sofort formierte sich Protest der Deutzer Bürger und Politiker. Den Studenten war das eher schnuppe. Nun soll am alten Ort ein neuer Campus entstehen, die Anbindung ans Veedel soll diesmal höchste Priorität haben. Derweil orientieren sich die Studenten weiterhin in die Innenstadt, nach Kalk — oder direkt nach Hause.