Erlösung am Ende des Abends: DJ Nigga Fox, Foto: Diogo Simoes

Brüche und Synergien

Die "Night of Surprise" im Stadtgarten zeigt den aktuellen Stand avancierter Musik - bei freiem Eintritt und bis zum frühen Morgen

Dicht, voller Bruchkanten und überraschender Synergien. Das Programm sei ihm unter den Händen »geordnet explodiert«, sagt Kurator Thomas Gläßer. Mit der denkbar besten Konsequenz. Die 3. Ausgabe der Night Of Surprise trifft den Spirit des neuen Stadtgartens als »Europäischem Zentrum für Aktuelle Musik« auf den Punkt.

 

Der Bogen dieses Oktoberabends wird von Geräuschmusik und Neuer Musik über das was man heute (unzureichend) Jazz nennen könnte bis hin zum hottest Shit abseitiger Tanzmusik reichen: Die teils aus Mitgliedern der Musikfabrik bestehende Formation um Rie Watanabe wird als Marching Band das Festival eröffnen, dann geht es weiter in loser Reihenfolge. Der Bretone Erwan Keravec kreiert mit seiner Sackpfeife eine Ur-Musik irgendwo zwischen LaMonte Young und Liturgy. Mit einem Analogsynthesizer fabriziert der Niederländer Thomas Ankersmit fast schon kanonisierten Drone samt Weltallfiepen. Kosmisch, aber low-fi gerät die Musik der Britin Laura Cannell: Mit Overbow Fiddle und diversen Flöten vertont sie die Geheimsprache Hildegard von Bingens.

 

Von irdischer Wehmut kündet, interpunktiert durch vulkanöse Eruptionen, die Musik der äthiopisch-schwedischen Creative-Jazz-Sängerin Sofia Jernberg und dem Pianisten Hailu Mergia; letzterer ist Ethio-Jazz-Pionier und zum ersten Mal in Köln. Bei Los Siquicos Litoralenos handelt es sich um Undergroundhelden aus Argentinien, die mit ihrem durchgeknallt pantropischen Psycherock die Zuhörer orientierungslos zurücklassen. Der House von Jamal R. Moss aka Hieroglyphic Being legt ohne Umwege Zeugnis ab von einer besseren Welt, man könnte Moss vollmundig »Sun Ra des Techno« nennen. Der kubistische Postrocksouljazz wiederum des Quintetts um den Akustikbassisten Jason Ajemian speist sich aus der dekonstruktiven Jazz-Szene seiner Heimatstadt Chicago. Der Lyra-Spieler Giorgos Xylouris und der Schlagzeuger Jim White verbinden kretische Folklore mit Freeform-Rock und lassen den Hörer mit zuckenden Gliedern zurück. Heilung verspricht DJ Nigga Fox: der Lissabonner ist Produzent von bizarrem Afrohouse, der schnellen Kuduro mit verschwitztem Tarraxinha verbindet.

 

Diese Auflistung ist unvollständig, der Eintritt frei. Wer einen Schimmer vom zeitgenössischen Stand der avancierten Musikproduktion bekommen möchte, sollte vorbei kommen.

 

 

Konzert: Fr 21.10., Stadtgarten, 19 Uhr