Einfach selber machen
Es wird Zeit, dass wir über ByteFM berichten, den Internetsender, der 2008 von Ruben Jonas Schnell in Hamburg gegründet wurde, 2009 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet wurde und uns die Art von gutem Musikjournalismus und Autorenradio bietet, die wir im Öffentlich-rechtlichen Hörfunk und Internet heute so vermissen. Sandra Zettpunkt (ex FSK/Sunday Service), Klaus Fiehe (WDR 1Live) und Klaus Walter (Ex-hr3, »Der Ball ist rund«) stehen stellvertretend für etwa hundert Musikjournalistinnen und -journalisten, die ihre Musik selbst aussuchen, auflegen und eigenwillige Sendungen produzieren — zumeist ehrenamtlich. Wir haben Ruben Jonas Schnell und Klaus Walter gefragt, wie das funktioniert.
Ruben, Erklärst Du uns, wie ByteFM funktioniert? Du selbst hast drei Funktionen: Geschäftsführer, Vorsitzender des Fördervereins sowie Moderator. Wie finanziert Ihr den Sender?
Ruben Jonas Schnell: Der wirtschaftliche Gedanke stand nicht im Vordergrund. Für uns war ByteFM eher eine Spielwiese, um das zu machen, was wir von einem guten Musikradio erwarteten. Trotzdem brauchten wir natürlich Geld. Am Anfang hatten wir einen Sponsor, doch für mehr als Studiomiete und Streaming-Server reichte das nicht. Ein Freund hatte die Idee, den Förderverein »Freunde von ByteFM« zu gründen, der 2010 gegründet wurde und zur Zeit 4600 Mitglieder hat. Damit bin ich sehr zufrieden. Aber auch wenn die Summe der Beiträge gut ist und wir einige Sponsoren haben, ist das für einen 24 Stunden am Tag operierenden Sender nicht besonders viel.
Die Musikjournalisten, die von den Öffentlich-rechtlichen zu Euch kamen, produzieren kontinuierlich hochwertige Sendungen, die Ihr nicht vergüten könnt. Magazinsendungen wie das taz.mixtape oder ByteFM Magazin hingegen schon.
Die Unterscheidung ist folgende: Ist es eine Sendung, die die Autorin oder der Autor aus Leidenschaft macht und selbst produziert? Das können wir momentan leider noch nicht bezahlen. Oder ist es redaktionell gesteuert und erfüllt somit einen Dienst für ByteFM wie z.B. das ByteFM-Magazin oder »Neuland«? Sendungen also, die ganz wichtig dafür sind, dass wir unsere Leistungen gegenüber Kooperationspartnern, zum Beispiel Konzert-Veranstaltern, erfüllen und deshalb honoriert, in Form einer Aufwandsentschädigung. Mein Wunsch ist allerdings, dass die Autorensendungen alle bezahlt werden.
Klaus, Deine Sendung »Was ist Musik?« ist das prototypische Beispiel eines Autorenradioformats, das es so kaum noch gibt: Recherche, Einordnung, Politik sind nur einige Stichworte, um sie zu beschreiben. Du musstest Deine Sendung vor einiger Zeit auf eine Stunde kürzen. Warum?
Klaus Walter: Das hat ganz klar mit den von Ruben angesprochenen fehlenden finanziellen Mitteln zu tun und damit, dass die Qualität meiner Sendungen darunter leidet.
Trotz der nicht idealen Umstände produzierst Du Deine Sendung »Was ist Musik« unbeirrt weiter — in gewohnt hoher Qualität, mit ausführlichen Interviews und begleitet von umfangreichen Hintergrundinfos. Was treibt Dich an?
Wenn ich mir meine Sendungen mal genauer anhöre, ist es leider so, dass ein krummer Schnitt oder eine holprige Formulierung drinbleibt. Ich formuliere häufig aus dem Stegreif, obwohl ich eigentlich ein Fan von Manuskripten bin. Das kann ich mir bei vielen Sendungen für ByteFM nicht mehr leisten. Ein Dilemma: Die gewohnt hohe Qualität ist dann eben doch nicht so hoch, wie ich es gerne hätte. Was mich trotz allem antreibt, ist die Möglichkeit, es einfach machen zu können. Ich produziere jetzt allerdings häufiger monothematische und vertiefende Sendungen. Es gab da beispielsweise gleich drei Folgen zu JaKönigJa, oder jeweils zwei Sendungen zum Schwabinggrad Ballett/Arrivati oder den Mekons. Spielwiesen, die es so bei den Öffentlich-rechtlichen kaum oder eigentlich gar nicht mehr gibt. Ein wunderbares Privileg bei ByteFM.
Du bist bereits seit den 70er Jahren als Journalist für diverse Magazine und Tageszeitungen aktiv und hältst Vorträge — wie siehst Du medienübergreifend den Status des Popjournalismus?
Ich antworte darauf meistens mit einem Zitat des Rappers Beans, der schon vor zwanzig Jahren die Zeile »Too many MC’s and not enough listeners« geprägt hat. Mit der Digitalisierung haben wir uns Brechts Radiotheorie angenähert. Was damals eine schöne Utopie war, ist heute eingelöst — zum Teil allerdings auch entgegen die Interessen und Intentionen Brechts: Alle können senden, es hören aber immer weniger Leute zu. Und auch die berühmten Gatekeeper gibt es nicht mehr. Wir sollten aber trotzdem auf die Vorteile der neuen Möglichkeiten schauen: Podcast, Nachhören, wann immer ich es möchte, das sind tolle Errungenschaften, mit denen man die Leute punktgenau erreichen kann.
Ruben, Klaus: Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft — als Musikjournalisten und für ByteFM?
Klaus Walter: Ich würde mir wünschen, dass es bei ByteFM für die Arbeit Geld gibt, respektive mehr Geld gibt, und wir so mehr Möglichkeiten haben und am Ende bessere Sendungen produzieren können.
Ruben Jonas Schnell: Ich möchte gerne die Marke ByteFM weiter bekannt machen — ich glaube, dass das was wir machen trotz Spotify und anderer Dienste, die auch ich als Hörer nutze, einzigartig und hochwertig ist, und eine Nachfrage erfüllt. Trotzdem kennen uns zu wenige Leute. Noch 5000 Freunde mehr und wir können die Autorensendungen bezahlen.