»Das Kino ist so unverwüstlich <br>wie das Buch«
StadtRevue: Im März feierte die Filmstiftung NRW ihren 15. Geburtstag unter düsteren Vorzeichen: Zum einen waren da schon die Mittelkürzungen der Landesregierung im Gespräch, zum anderen befindet sich das Kino in einer strukturellen Krise wie vielleicht seit den 50er Jahren nicht mehr.
Michael Schmid-Ospach: Die strukturellen Probleme machen mir nicht wirklich zu schaffen. Wenn man genau hinschaut, hat es eine erstaunlich lange Phase mit immer mehr Kinobesuchern und Kinoabspielstätten gegeben. Dass das irgendwann wieder rückläufig sein würde, konnte man absehen. Auch die DVD ist eine Sache mit Licht und Schatten. Einerseits hat sie einen warmen Geldregen in die Branche geschwemmt. Auf der anderen Seite gucken die Leute mehr Filme zu Hause und nicht mehr im Kino. Ich halte das Kino aber für genauso unverwüstlich wie das Buch.
Die Kölner Kinosituation ist für eine Millionenstadt katastrophal. Viele Erstaufführungen gerade anspruchsvollerer Filme kommen erst nach Monaten oder gar nicht in die Kinos. Das Residenz wurde geschlossen, die Lupe 2 auch, es gibt keinen Ersatz für das Broadway ...
Um ein Haar wäre auch noch durch das dilettantische Management des Filmhauses ein weiteres Kino verschwunden. Auf der anderen Seite kann man aber auch ein bisschen Hoffnung haben. Dass die ehemalige Cinemathek nicht mehr ganz leer steht, ist positiv. Dass sich in Bonn das Rheinische Landesmuseum als eine attraktive Abspielstätte etabliert hat, sollte auch für Köln ein gutes Signal sein. Ich weiß nicht, ob man in der Stadtverwaltung inzwischen begriffen hat, dass man die Kinos, die man noch hat, schützen muss. Ich kann nur hoffen, dass sich das ein oder andere wieder aufbaut. Da gibt es ja Dinge, die im Gespräch sind.
Was zum Beispiel?
Die Frage: Hat Köln überhaupt ein angemessenes Premierenkino? Bei der »Klimt«-Premiere im Mai mit John Malkovich und Veronica Ferres wurde das Manko deutlich. Das Cinenova hat sich viel Mühe gegeben: Es wurde extra ein Zelt eingerichtet, und man hat den Film in den drei Kinos gespielt, aber das Cinenova ist ein Premierenkino mit kleinem Handicap.
Es fehlt in Köln aber auch an der Basis: Filmgeschichte wird regelmäßig und kompetent eigentlich nur noch im Filmclub 813 präsentiert. Das neue Filmforum NRW in der ehemaligen Cinemathek hat in den ersten Monaten kein Profil entwickeln können.
Ich kann mir natürlich eine bessere Cinemathek vorstellen, aus einer Hand, aus einem Guss. Das würde dann aber darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt Köln kein Geld hat für so etwas. Die Betreiber von Off Broadway, Filmpalette, Odeon, Metropolis oder Cinenova zeigen doch mit ihrem Engagement und ihren Besucherzahlen, dass es in Köln einen großen Bedarf an Kinoleinwänden mit anspruchsvollem Programm gibt.
Kann die Filmstiftung Kinos retten? Sie haben vor ein paar Monaten gefordert, bestimmte innerstädtische Kinos unter Denkmalschutz zu stellen.
Die Möglichkeiten der Filmstiftung sind in dieser Hinsicht sehr begrenzt. Das ist ja im Grunde eine Initiative gegen die Gesetzmäßigkeiten des Kapitals. Natürlich hätten wir heute kein Theater, kein Schauspiel, keine Oper innerhalb von Köln, im Filetbereich der Stadt, wenn diese Kunstgattungen den gleichen Marktgesetzen ausgeliefert wären wie die Kinos. Es wäre alles weg. Stattdessen wird auch in Köln rumgerangelt: Gehört Kino zum Wirtschaftsdezernenten, zum Oberbürgermeister, gehört das Filmhaus zur Kultur? Film ist also everybody’s darling ohne wirklich anybody’s darling zu sein. Wobei ich gefordert habe: unter Denkmalschutz stellen ohne Augenzwinkern.
Was bedeutet das?
Das sehen Sie am Metropol in Bonn, eines der schönsten Kinos mitten am Marktplatz. Das Objekt steht zum Verkauf, und drei Tage vorher sagt der örtliche Leiter der kommunalen Bauabteilung, Denkmalschutz wäre so eine Sache – wenn das Gebäude zu lange leer stünde, müsse man den Denkmalschutz lockern. Das ist, als ob man sagt, das Schauspielhaus Köln soll verkauft werden, und wenn sich niemand findet, der das als Theater betreiben kann, geht es an die Damenoberbekleidung.
Um mehr als zwanzig Prozent hat die Landesregierung ihren Beitrag zum Etat der Filmstiftung gekürzt. Ihr Protest schien zahmer zu sein als etwa der des Produzentenverbandes.
Das ist selbstverständlich. Der Produzentenverband steht in keiner Loyalität zum Land, er ist kein Gesellschafter der Filmstiftung. Vor einem halben Jahr habe ich ja das gleiche gesagt wie Herr Rüttgers. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass in einer Zeit, in der bei Frauenhäusern und Kindergärten gekürzt wird, ausgerechnet der Film keinen Beitrag leistet. Was mich verwundert hat, war die Höhe der Kürzungen.
Wo werden sich die Kürzungen bemerkbar machen?
Ich garantiere den Studenten für dieses Jahr, dass es keinerlei Kürzungen bei ihren Filmen geben wird. Wenn die Kürzungen beibehalten werden, kann ich das nicht mehr garantieren. Aber Kulturstaatssekretär Herr Grosse-Brockhoff hat auf dem Medienforum gesagt, dass ist ein Zustand, den wir schnell ändern müssen, und welch Widersinn es ist, dass der Beschluss der Regierung, nicht bei der Kultur zu kürzen, die Filmstiftung ausnimmt.
Wo wird nun konkret gekürzt?
Für dieses Jahr haben wir zwei bis drei Produktionen weniger. Das bedeutet: Es wird für weniger Geld in NRW produziert. Um 2,5 Millionen kürzt das Land seinen Filmstiftungs-Beitrag. Da in NRW mindestens das anderthalbfache dieser Summe ausgegeben werden muss – meist wird aber mehr hier investiert –, kann man von einem Schaden von vier bis fünf Millionen Euro für NRW ausgehen.
Michael Schmid-Ospach wurde 1945 in Heidelberg geboren. Er studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Psychologie in Köln. Unter anderem war er von 1990 bis 2001 stellvertretender Fernsehdirektor des WDR und von 1997 bis 2001 Programmbereichsleiter Kultur und Wissenschaft. Im April 2001 trat er die Nachfolge von Dieter Kosslick als Geschäftsführer der Filmstiftung NRW an. Mit einem Budget von 32 Millionen Euro ist sie der größte Filmförderer Deutschlands.