Lasst Blech sprechen

Altmodische Geschichten mit der neuesten Technik erzählen

John Lasseter ist das Herz des Animationsfilm-Studios Pixar. In den letzten Jahren hat er jedoch die Regie der Prestigeprodukte »seines« Hauses anderen Leuten überlassen und sich selbst in die Produktion zurückgezogen, was zwar zu allerhand kommerziellen Erfolgen, aber kaum zu filmischen Triumphen führte. Lasseter hat etwas, das anderen fehlt, einen Sinn für den ästhetischen Gesamtzusammenhalt eines Filmes und für das immer richtige, mal dichtere, mal elegischere Erzählen einer Geschichte. Aber reicht das, aller inszenatorischen Brillanz zum Trotz, auf die Dauer, wenn die Geschichten sich so suspekt ähneln? Das fragt man sich zumindest bei »Cars«, seiner Rückkehr zur Regie, sieben Jahre nach »Toy Story 2«.

Humanismus und Technologie

Als Pixar vor rund zehn Jahren Lasseters »Toy Story« präsentierte, da erwies sich die freundlich-weise Fabel vom weltfremden Spielzeugroboter-Jungspund, dem ein alter Aufzieh-Cowboy die Batterie mal kräftig zurechtrückt, als eine mittlere Offenbarung. Zum einen natürlich wegen der Animation, schließlich war »Toy Story« der erste abendfüllende Film, der bis zum Transfer auf 35-mm-Film das Innere eines Computers nie verlassen hatte, zum anderen aber wegen seiner Geschichte und der Behutsamkeit, mit der Lasseter seinen Charakteren ein Leben einhauchte.

Damals war das erzählerisch-expressive Genie der Anime-Großmeister aus Japan wie Hayao Miyazaki und Mamoru Oshii hier nur Fachleuten geläufig. Währenddessen durchlebte auf den Multiplex-Leinwänden Disney eine seiner tumbesten Zeiten, mit Machwerken, in denen die Blockbuster-Mentalität vulgärste Ausstände feierte. In diese Ödnis kam »Toy Story« und setzte neue Maßstäbe mit einer Rückbesinnung auf klassische psychologische Strukturen des Erzählens und einer feinen Ausarbeitung der Charaktere. Systematisch wurden Stars, Charakterdarsteller und kompatible Promis als Sprecher engagiert und die Figuren sogar ein wenig nach deren Image gestaltet, was zu einer höheren Akzeptanz der Werke bei einem erwachsenen Publikum führen sollte. Man arbeitete also geschickt an einer neuen Struktur, um Animationsfilme als »realistisch« empfinden zu können. So kam es zu dem Paradox, dass Pixar mit bewusst altmodischen Geschichten, einer Art von Humanismus, zu dem sich der Hollywood-Spielfilm kaum noch befähigt fühlte, und gleichzeitig einer kontinuierlichen Arbeit an der avanciertesten Technologie zum Nonplusultra der Digitalanimation wurde – und blieb.

Psychologie und Autos

Mittlerweile gibt es – und kennt man auch im Westen – Filme wie Miyazakis Gewinner des Goldenen Bären »Chihiros Reise ins Zauberland« und Oshiis Monument »Ghost in the Shell 2 – Innocence«. Filme, die gelassen demonstrieren, dass das mit der Kunst und der Realität auch anders funktionieren kann als über Hilfsmittel wie etwa die Psychologie. Im Vergleich drängt sich also die Frage auf: Wie viel geht jetzt wirklich noch mit der Methode Pixar?

Wenn man sich von der Geschichte nicht mehr als soliden affirmativen Humanismus der anständigen bürgerlich-liberalen Art erwartet, kann man antworten: immer noch viel. »Cars« ist, rüde gesagt, »Toy Story« mit Autos: Der Schnösel Lightning McQueen, Shooting-Star des Rennsports, landet auf dem Weg zum alles entscheidenden letzten Rennen der Saison wider Willen in einem verlassenen Wüstennest, wo er bei Aussteigern und Eremiten den wahren Weg, nämlich den der Besserung und Bescheidenheit, findet: zunächst einmal, indem er eine Straße asphaltiert.

Menschen gibt es nicht in der Welt von »Cars«, nur Autos, also notorisch schwer belebbare Objekte. Bei deren Design hat man gleich mal mit einer Konstante aller beseelten Kinoautos gebrochen: Die Scheinwerfer sind nicht die Augen, sondern die Frontscheiben, neben der Stimme die einzige nachhaltige Konzession ans Menschliche – ansonsten müssen sich die Fahrzeuge mit den Ausdrucksmöglichkeiten begnügen, die sie vom Werk her haben, also alles vom Lack bis zum Radstand. Und das klappt gut: Lasseter und seine Leute schufen eine glaubwürdig menschliche Auto-Welt, was als feines Stück Animationsarbeit beeindruckendend ist. Nur: Allzu komplex kann man damit nicht werden. Anders gesagt: »Cars« beeindruckt, weil Autos eigentlich so ausdruckslos sind, und wenn sie psychologische Gemeinplätze ausdrücken können, ist das zwar viel, aber andererseits auch wieder wenig.


Cars (dto) USA 06, R: John Lasseter, 116 Min. Start: 7.9.