Schwarzlicht
Krimi, sagen Unkundige gerne, sind Rategeschichten mit Auflösung, die den letztlich harmoniesüchtigen Lesern am Ende die Welt wieder richten, zumindest mental. Das ist Kokolores. Krimi kann und will längst viel mehr sein, zum Beispiel Avantgarde, Apokalypse, Gedicht, Wahrheit, Kunst und und und. Und: Kühe und Erotik. Kühe, das hatten wir in dieser Kolumne letztens schon, bei den PJ Tracys und ihrem großartigen Roman »Mortifer«, in dem eine Landpartie für eine höchst mode(r)bewusste Städterin im Morast endet, samt schrubbelnder Kuhleiche an ihrem Rücken.
Und genau davon, also von Kuhleichen im See, erzählt auch einer der Stränge, die der Schweizer Theatermacher Urs Schaub in seinem zweiten Tanner-Krimi »Das Gesetz des Wassers« verwurstet. Daneben geht es noch um einen dicken Polizisten und um einen normal gebauten, um die Geschichte des Großvaters in der NS-Vernichtungsmaschinerie, um die Wirtschaftsmacht der Zukunft, um Japan und Japanerinnen (auch so ein Krimithema übrigens) und, klar, um jede Menge Sex: Mit Sequenzen, die so knistern, dass es einen umhaut – aber leider auch mit den »perfekten Brüsten«, die noch in jedem Schinken ihren Platz finden.
Kühe und Erotik also. Zwei Krimitrends in unseren Tagen. Zwei Trends übrigens, die auch zusammen gehen. Ich sag nur: Jean Bernard Pouy. In »Larchmütz 5632«, dem originellsten Roman dieses Originellsten der Originellen (2001 auf Deutsch), spielt eine Kuh eine, sagen wir, gewichtige Rolle, und ihre Beziehung zum Helden ist nicht frei von einer, sagen wir, gewissen Erotik, oder sollte man sagen: Liebe? Pouys Roman ist Kokolores als Erzählprinzip, ein Kunstkrimi mit Auflösung, einer, nach dessen Lektüre an der Welt aber auch nichts wieder gerichtet ist. Zumindest mental.