BGS am Kölner Hbf
Eben nicht, meint Klaus-Peter Kilian, Pressesprecher des Kölner Bundesgrenzschutzes (BGS), schließlich könne die verdächtige Person ja auch ein Messer in der Hosentasche haben und im Zweifelsfall einen Beamten umbringen. Möglicherweise begründet die dauernde potienzielle Lebensgefahr, in der die BGS-BeamtInnen zu schweben glauben, die teils rüden Umgangsformen, die sie nach Vellays Darstellung an den Tag legten: Er störe eine Amtshandlung, ließen die BGSler wissen, und solle sich ausweisen. Als Vellay nicht schnell genug reagierte, wurde er _ im Polizeigriff _ in die Dienststelle abgeführt. Dort wurden er und sein Gepäck akribisch untersucht, Vellay musste sich nackt ausziehen. Das sei ein völlig übliches Verfahren zur Feststellung der Identität, erklärt Kilian: »Jeder, der in die Wache kommt, muss sich nackt ausziehen.«
Die Strafanzeige wegen Widerstand, Beleidigung und falscher Namensangabe richtet sich gegen Claudius Vellay, nicht etwa gegen die beiden BGS-Beamten. Deren Darstellung nach handelt es sich bei Vellay _ ein 40jähriger Deutscher, der derzeit in Paris lebt und dort an seiner Promotion arbeitet _ um eine ausgesprochen renitente Person. Er habe mehrere Platzverweise nicht befolgt, sich nicht ausweisen wollen und außerdem die Beamten mit den Worten »Ihr Nazis, Ihr Drecksäcke« beleidigt. »Das ist frei erfunden«, kommentiert Vellay, der auch jetzt noch empört ist über das, was ihm in Köln widerfahren ist. Am selben Abend noch verfasste er ein detailliertes Gedächtnisprotokoll über die Vorfälle und reichte bei Innenminister Otto Schily, oberster Dienstherr der Bundespolizei, eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Die wird jetzt beim BGS Köln bearbeitet, gleichzeitig leiteten die beiden BGSler die Strafanzeige gegen Vellay an die Kölner Staatsanwaltschaft weiter.
ZeugInnen hat Claudius Vellay nicht. Alles sei viel zu schnell gegangen, sagt er. Außerdem habe er nicht erwartet, dass die Beamten ihn anzeigen, schließlich sei ihm Unrecht widerfahren. Er protokolliert verbale Ausfälle und Gewaltanwendung der Beamten, u.a.: »Jetzt lauf schon, sonst brech ich dir den Arm« habe man ihm beim Abführen angedroht, »dreh dich um, bück dich und zieh den Arsch auseinander« sei er angewiesen worden, als er sich kniend und nackt in der Zelle befand.
Von »sehr scharfen Reaktionen« auf Einmischung in die Kontrollen des BGS weiß auch das Komitee gegen amtlichen Rassismus (KogamRa) zu berichten. Seit Mitte März beobachtet KogamRa die Aktivitäten des BGS am Hauptbahnhof (siehe SR 03/01). Der Zwischenbericht über die dreimonatige Arbeit des Komitees dokumentiert unterschiedliche Erfahrungen: Der BGS kontrolliere überwiegend MigrantInnen, aber auch Obdachlose, Punks oder Drogenabhängige. Gerade MigrantInnen beklagen sich beim Komitee, dass sie »sehr häufig« kontrolliert würden. Die Beamten seien jedoch bei Personenkontrollen eher »sachlich« und selten »unfreundlich-ruppig«. Das Verhalten gegenüber BeobachterInnen habe sich allerdings verändert: Nach anfänglicher Unsicherheit versucht der BGS inzwischen, die Arbeit des Komitees mit Platzverweisen, Bahnhofsverboten, Bußgeldern und Anzeigen zu behindern. Walter Hermann, bekannt geworden als Protagonist der Kölner Klagemauer, hatte sich in eine Kontrolle eingemischt und wurde inzwischen u.a. wegen Beleidigung verurteilt.
»Stören einer Amtshandlung« heißt die Einmischung, derer auch Vellay sich schuldig gemacht haben soll, in der juristischen Diktion. Wann aber ist eine Amtshandlung gestört? »Dabeistehen ist erlaubt«, erklärt Rechtsanwalt Eberhard Reinecke, »bei Kommentaren ist das nicht so klar. Die Frage ist auch immer, ob die Amtshandlung, die gestört wird, möglicherweise selbst rechtswidrig ist.« Wer eine Amtshandlung stört, so Reinecke weiter, muss mit einem Platzverweis rechnen, »aber festnehmen kann man deswegen niemanden.«
Claudius Vellay wartet jetzt auf den Eingang der Strafanzeige _ und auf eine Antwort auf seine Dienstaufsichtsbeschwerde. »Überall wird Zivilcourage, gerade bei negativem Verhalten gegenüber Ausländern, gefordert. Es muss möglich sein, dieses auch gegenüber den staatlichen Ordnungskräften zu zeigen, ohne einer solch demütigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Daher erwarte ich eine Entschuldigung für das Fehlverhalten,« schreibt Vellay dort. Entschuldigt hat sich bisher nur das Büro von OB Schramma, auf dessen Tisch der Vorgang ebenfalls landete: »Es tut mir aufrichtig Leid, was Herrn Vellay auf dem Kölner HBF widerfahren ist. Ich hoffe, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde beim Bundesinnenministerium Wirkung zeigt und wünsche, dass vom nächsten Aufenthalt in Köln nur schöne Erinnerungen bleiben.«