Schwarzlicht

Krimi, literarischer!
Mindestens sechzig Prozent ihrer Titel seien Krimis, bilanzierte letztens die Leiterin der Abteilung »Belletristik« einer großen Kölner Kaufhausbuchhandlung. Sechzig Prozent. Mindestens. Und damit sind nur die »richtigen« Kriminalromane gemeint, also die, auf deren Cover »Krimi« oder »Spannung« steht, außerdem die Spannungsromane, die – in den letzten Jahre Mode – einfach unter »Roman« laufen, tatsächlich aber Genre-Erzählungen sind. Nicht mit dabei: Literarische, etablierte Romane aus dem E-Bereich der so genannten »gehobenen« Literatur, die sich der dramaturgischen Muster des U-Bereichs der Unterhaltung bedienen, dabei aber »Literatur« und nicht »Unterhaltung« sein wollen.

Amüsant ist zu beobachten, wie ungeschickt viele Vertreter der »ernsthaften« Literatur scheitern, wenn sie sich an hoch-literarischen Genrevariationen versuchen – weil sie von den Genregesetzen keine Ahnung haben, weil sie sie nicht ernst nehmen oder weil sie sie falsch verstanden haben.

Umso bemerkenswerter die aktuelle Ausnahme: Der Debütroman »Die Beerdigung ihrer Mutter« der bekannten WDR2-Moderatorin Annette Wieners. Er erzählt die Geschichte eines einsamen, emotional vernachlässigten Mädchens, das sich die Wärme, die es braucht, auf perfide, verzweifelte, sozusagen kriminelle Weise aus ihrer Umgebung holt. Eine böse und bittere, eine kluge und geschickte Geschichte, die so sparsam, aber auch so treffsicher mit Krimielementen spielt, dass es einen schaudernd freut.

»Nur« ein »Krimi«? Ein gelungener Hybrid aus »U« und »E«? Oder doch literarische Literatur mit Fingerspitzengefühl, die sich ihrer Erzählmuster respektvoll bewusst ist?
Wie auch immer: Kein Krimi. Aber ein verdammt guter.