»The Queen«

Da hockt sie nun, mutterseelenallein, und weint. Kurz zuvor ist sie mit ihrem Geländewagen in einem Fluss stecken geblieben. Und jetzt wartet sie auf Hilfe. Da ertönt hinter ihr ein Geräusch, sie fährt he­rum. Und dann scheint für einen Moment die Zeit still zu stehen, gibt es nur die Queen, Aug in Aug mit einem stattlichen Hirsch.

Die Gefühle der Queen

Dieser beinahe mythisch überhöhte Moment ist Kristallisations- und Kulminationspunkt in Stephen Frears’ »The Queen«. Es ist das erste und einzige Mal, dass die Queen, an sich ein Muster an Selbstdisziplin, im Film so offen Gefühle zulässt. Gleichzeitig ist sie – gebannt von der Kraft und Anmut des Tieres – vollkommen selbstvergessen; für die Dauer des kurzen Blickwechsels ist sie frei von jeglicher Verantwortung. Frei von der Entscheidung, ob sie – wie Tony Blair und die Bevöl­kerung das fordern – öffentlich ihre Trauer um den Tod von Lady Diana mit einem Auftritt vor dem Buckingham Palace Ausdruck verleihen soll. Als herzlos ist sie wegen ihrer zögerlichen Haltung in der Presse niedergemacht worden.
Vor diesem Hintergrund schafft Drehbuchautor Peter Morgan ein ebenso facettenreiches wie spekulatives Porträt der ersten Frau im Königreich. Schlicht und zwingend im Handlungsaufbau, thematisch komplex, erzählt der Film von den Zwängen der Macht, persönlicher Entscheidungsfreiheit, dem Widerspruch zwischen öffentlicher und privater Person und dem Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne.

Ironie und Empathie

Auch wenn Buch und Regie voller ironischer Seitenhiebe auf die realen Vorbilder stecken, ist in fast jeder Szene Empathie für die Figuren spürbar. Eben darum – und dank der überragenden Helen Mirren als Queen – schafft es der Film, zu berühren.
Ironische Pointe: Der Hirsch wird schließlich nicht von Prinz Philip zur Strecke gebracht – eine königliche Kugel wäre dem natürlichen Adel des Tieres wohl eher angemessen gewesen –, sondern von einem Börsenmakler. So ändern sich die Zeiten.

The Queen (dto) GB 06
R: Stephen Frears, D: Helen Mirren,
Michael Sheen, James Cromwell,
97 Min. Start: 11.1.