Hoch zu Ross — Polizeieinsatz Anfang Januar an St. Aposteln, Foto: Georg Kümmel

Druck im Kessel

Die Polizei hat Menschen stundenlang in der Kälte festgesetzt. Durfte sie das?

 

 

Das Plenum in der Alten Feuerwache ist gut besucht. Rund 70 Personen sitzen auf den Stühlen und Tischen. Die Luft ist dick, die Redeliste lang. Von Pferden ist die Rede, von Lautsprecherdurchsagen, die unverständlich waren. Immer wieder fällt das Wort »Kessel«.

 

Was war passiert? Am 7. Januar hatte die rechtsextreme Kleinstgruppierung Pro NRW eine Demo in der Kölner Innenstadt angemeldet. Pro-NRW-Chef Markus Beisicht und die Aktivistin Ester Seitz haben nur rund 80 Menschen nach Köln locken können — darunter die üblichen Verdächtigen: den Betreiber eines »islamkritischen« Blogs, »besorgte Bürger« aus dem Ruhrgebiet oder dem Westerwald. 

 

Ein Bündnis aus Parteien und antifaschistischen Gruppen hatte eine Gegenkundgebung am Bahnhof angemeldet. Vor St. Aposteln am Pastor-Könn-Platz kam es dann gegen 15 Uhr zu einer Sitzblockade auf der Demonstrationsroute. Die Polizei löste sie schnell mit Pferden auf. Schließlich wurden die Teilnehmer der Blockade von der Polizei vor der Kirche festgehalten. »Meiner Tochter wurde von einem Pferd auf den Fuß getreten«, erzählt Kirsten Schulte*. Gegen vier Uhr nachmittags sei sie an der Apostelstraße eingetroffen und wollte ihre 15-jährige Tochter ins Krankenhaus fahren. Die Polizei teilte ihr dann mit, dass Schultes Tochter den Platz vor der Apostelkirche nicht verlassen dürfe. Also ging Schulte hinter die Polizeiabsperrung. Drei Stunden harrte sie dort aus, bevor sie und ihre Tochter ins Krankenhaus fahren konnten, wo ein gequetschter und geprellter Fuß diagnostiziert wurden. Die Demo von Pro NRW war zu diesem Zeitpunkt längst vorbei. In Absprache mit der Polizei hatten die Rechtsextremen eine Alternativroute zurück zum Bahnhof gewählt.

 

Schulte ist kein Einzelfall. 195 Menschen mussten an diesem Samstag mehrere Stunden bei Temperaturen um den Gefrierpunkt am Pastor-Könn-Platz ausharren, bis ihre Personalien aufgenommen wurden und sie weiter gehen konnten. »Verdacht des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz«, sagt die Polizei Köln. »Ich war auf dem Weg nach Hause und wollte noch schnell einkaufen«, sagt dagegen Katja Behrendt*. Das war gegen kurz nach drei. Erst um zehn vor sieben konnte sie den Ort verlassen. »Wir wollten unsere Personalien freiwillig abgeben, um den Platz verlassen zu können. Aber das ging nicht«, sagt sie.

 

Das Bündnis »Köln gegen Rechts« hat mittlerweile Strafanzeige gegen die Polizei erstattet — wegen »Freiheitsberaubung«. Die Polizei hatte am Demonstrationstag um halb vier per Twitter erklärt, dass es »keine ’Einkesselung’« gegeben habe. Die meisten Medien hatten dies übernommen. »Die Berichterstattung war nicht korrekt«, sagt Janina Hösch*. Sie hatte die Kundgebung am Bahnhof besucht und wollte in einen Fotoladen am Neumarkt, als sie nicht mehr weiterkonnte. »Wir standen mit mehreren Leuten auf dem Bürgersteig und haben uns unterhalten«, erzählt sie. »Gegen viertel nach vier hat die Polizei durchgesagt, dass wir eine ’nicht genehmigte Versammlung’ sind.«   

 

Die Polizei Köln möchte sich dazu nicht äußern. »Die Verfahren laufen noch«, sagt Sprecher Dirk Weber. Sollten sich die Vorwürfe gegen einzelne Personen als haltlos erweisen, würden die Verfahren eingestellt. »Das Vorgehen der Polizei erscheint mir rechtswidrig«, sagt der Anwalt Michael Biela-Bätje, der in der Alten Feuerwache vor Ort war. Bis zur Durchsage sei die Versammlung durch das Grundgesetz geschützt gewesen: »Das heißt, man darf kommen und gehen, wann man will.« Er ist der Ansicht, dass die Polizei Verfahrensfehler bei der Auflösung gemacht habe und verweist auf einen ähnlichen Fall beim Anti-Islamisierungskongress 2008. Das Verwaltungsgericht Köln hatte mehrere Einkesselungen durch die Polizei im Nachhinein für rechtswidrig erklärt. Biela-Bätje befürchtet, dass bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag im April eine ähnliche Taktik angewandt werden könne.

 

»Unsere Stadt braucht, dass sich Menschen den sogenannten Rechtspopulisten in den Weg -stellen«, erklärt Janina Hörsch. »Solche Erfahrungen machen das schwe-rer.« Sie selbst hat schon eine Woche später die nächste Demonstration besucht: gegen die rechts-extreme Kleinstpartei Die Rechte in Deutz.

 

*Name geändert