Menschenwürde ist sein Job: Thomas Zitzmann, Foto: Dörthe Boxberg

»Die Ressourcen fehlen«

Thomas Zitzmann leitet die Ombudsstelle für Flüchtlinge in Köln. Er schildert die Probleme in den Turnhallen — und deren Ursachen

Herr Zitzmann, ein GAG-Mitarbeiter hat wohl gegen Bestechungsgelder Wohnungen an Flüchtlinge vergeben. Wäre so etwas ein Fall für Ihre Ombudsstelle?

 


Ich kenne diesen Fall nur aus der Presse. Auf andere dubiose Vorfälle rund um die Wohnungssuche hat es Hinweise gegeben, etwa dass Zahlungen für Vermittlungen verlangt werden, aber dann keine Leistung erfolgt.

 

 

Wie läuft denn eine Beschwerde bei der Ombudsstelle ab?

 


In der Regel namentlich, selten anonym. In unseren Aufgabenbereich fallen Beschwerden zur Flüchtlingsunterbringung und -betreuung der Stadt Köln, soweit es sich um »gravierende Fälle« handelt. Der Rat hat das wie folgt definiert: Gewalt, Diskriminierung, sexueller Übergriff und Verletzung der Menschenwürde. Es passiert aber auch, dass jemand mit anderen Fragen kommt — wegen aufenthaltsrechtlicher Probleme oder wegen eines kaputten Kühlschranks. Wir bewerten jeden einzelnen Fall. Wir, das sind meine Kollegin Burcu Aquilino und ich — jeweils auf einer halben Stelle.

 

 

Wie viele Fälle haben Sie denn schon bearbeitet?

 


37 Fälle sind es im Berichtszeitraum für den ersten Tätigkeitsbericht gewesen. Dazu kommen sieben bis 15 Fälle im Monat. Dabei ging es hauptsächlich um »Verletzung der Menschenwürde«.

 

 

Eine rechte breite Kategorie…

 


Es geht darum, dass jemand deutlich macht: Ich werde herabgewürdigt. Ich werde nicht als Mensch behandelt. Oder: Ein Grundrecht wird verletzt. Es wird beispielsweise nicht berücksichtigt, dass meine gesundheitliche Situation erfordert, dass ich ganz anders untergebracht werde. Oder ich werde diskriminiert, ich werde ungerechtfertigt schlechtergestellt als andere.

 

 

Inwieweit werden solche Probleme durch die Strukturen der Stadt Köln bei der Flüchtlingsunterbringung verursacht?

 


Wir sollen ja genau danach gucken. Zeigt es sich, dass es Schwachstellen im System gibt, dass Schutzmechanismen fehlen? Dazu haben wir auch Empfehlungen abgegeben. Der Schwerpunkt, rund 60 Prozent der Fälle, war durch die Unterbringung und Notaufnahmesituation in den Turnhallen begründet. Da muss man unbedingt raus. Der Rat der Stadt hat im Dezember Mindeststandards beschlossen. Entsprechend haben wir gesagt: Diese Mindeststandards müssen umsetzbar gemacht werden. Es gibt etwa die Option, dass schutzbedürftige Personen aus gesundheitlichen Gründen innerhalb von einer Woche aus der Turnhalle verlegt werden. Aktuell funktioniert das aber nicht, weil die Ressourcen fehlen. Als schutzbedürftige Personen fasst die Aufnahmerichtlinie der EU zum Beispiel Minderjährige, Schwangere, psychisch oder anderweitig kranke Menschen. Ihre besonderen Bedürfnisse zu berücksichtigen — das gelingt kaum in den Turnhallen.

 

 

Wie reagiert die Stadt Köln auf Ihre Arbeit?

 


Wir sind zuerst auf Offenheit gestoßen, haben dann aber auch recht schnell Schließungstendenzen erlebt. Wir haben von der Stadt zum Teil Berichte erhalten, mit denen es nicht möglich war, zu bewerten, ob eine Beschwerde gerechtfertigt ist oder nicht. Das verstehe ich nicht als bösen Willen, sondern als Versuch, eine möglichst einheitliche Darstellung aus verschiedenen Quellen — Wachpersonal, Unterkunftsbetreiber, Stadt — herzustellen. Da kommt gegebenenfalls der legitimierende Aspekt ins Spiel. Um Gefahren zu vermeiden, ist aber eine differenzierte Beurteilung erforderlich. Deshalb fordern wir, dass die Perspektiven der verschiedenen Akteure erkennbar und auch Risiken identifizierbar sind.

 

 

In der Presse wurde aber auch kritisiert, dass die Ombudsstelle nicht neutral genug sei.

 


Der in der Kölnischen Rundschau erhobene Vorwurf, die Ombudsstelle verstehe sich zu sehr als Flüchtlingslobby, führt in die Irre. Der Ratsbeschluss hebt die Neutralität und Unabhängigkeit der Ombudsstelle hervor — in Abgrenzung zu Verwaltung und beauftragten Trägern. Die Ombudsstelle übernimmt aber nicht die rechtliche Vertretung der Beschwerdeführenden, sondern sie weist gegebenenfalls auf Schwachstellen des Unterbringungssystems hin.

 

 

Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie denn?

 


Es muss ein Verfahren geben, in dem schutzbedürftige Personen systematisch identifiziert werden. Dazu sollte etwa ein Verbund aus verschiedenen Fachberatungsstellen aufgebaut werden. Zudem müssen finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzbedürftige, zum Beispiel LGBTI [Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuell/Transgender und Intersexuelle], aber auch Räume, in denen Wöchnerinnen versorgt werden und Stillende ihre Kinder füttern können. Da muss dringend mehr passieren. Wenn es um eine Verletzung der Menschenwürde geht, dürfen wir nicht untätig bleiben.