Mensch und Monster
Afrikas Despoten kommen und gehen, nur der Menschenfresser Idi Amin bleibt uns als Erinnerung erhalten. Er ist eine beinahe märchenhafte Gestalt, ein Kinderschreck im politischen Dickicht des 20. Jahrhunderts, der sein Handwerk bei den Briten lernte und die ehemaligen Kolonialherren auf alle Zeit beschämte. Wenn der junge Arzt Nicolas Garrigan (James McAvoy) in »Der letzte König von Schottland« eine Reise nach Uganda unternimmt, ist dies auch eine Art Bußgang. Die wilden 70er Jahre haben gerade erst begonnen, und eigentlich will Garrigan nur seinem steifen Elternhaus entfliehen und in der Ferne etwas Abenteuerliches erleben. Doch dann lässt ihn der Zufall Idi Amin (Forest Whitaker) begegnen, der gerade eine korrupte Regierung aus dem Land gejagt hat und die Menschen als charismatischer Volkstribun umschmeichelt. Ehe es sich Garrigan versieht, ernennt ihn der Putschist zu seinem Leibarzt und drückt ihn in inniger Freundschaft an die Diktatorenbrust.
Ein gefährlicher Drogencocktail
Halb zog es ihn, halb sank er hin: Selten folgte auf jugendlichen Leichtsinn ein derart böses Erwachen, doch zunächst erscheint Amin als beinahe unwiderstehlicher Verführer. Mit Garrigan an seiner Seite will er das ugandische Gesundheitswesen revolutionieren und verspricht seinem schottischen Freund auch dann noch das Blaue vom Himmel, als er sein Land längst schon in Blut ertränkt. Durch Garrigans Augen kann man förmlich sehen, wie sich der Taumel der Macht und das schleichende Gift der Paranoia in Amin zu einem gefährlichen Drogencocktail vermengen: Irgendwann ist dann niemand mehr vor den Wahnschüben des ums Überleben kämpfenden Herrschers sicher.
Die monströsen Möglichkeiten des Menschen
So ganz erschließt sich einem nicht, warum der gelernte Dokumentarfilmer Kevin Macdonald (»Ein Tag im September«) seine fiktive Hauptfigur in die Höhle des historischen Löwen schickt. Will er eine britische Selbstanklage inszenieren oder den Schauder dadurch verdoppeln, dass es nicht nur Amins Landsleute trifft, sondern auch einen von uns? Am ehesten scheint Garrigan für seinen Regisseur eine Art Fernrohr zu sein, durch das er sich die düstere Fabelgestalt Idi Amin ganz nah heranholen kann. Wenn wir dann tatsächlich den staunenden Blick des jungen Arztes übernehmen, dann vor allem wegen der Kunstfertigkeit, mit der Forest Whitaker seine Figur mit Leben füllt. Er schält den Menschen aus dem Monster heraus, um uns die monströsen Möglichkeiten des Menschen dann umso deutlicher vor Augen zu führen.
Der letzte König von Schottland
(The Last King of Scotland) GB 06,
R: Kevin Macdonald, D: Forest Whitaker, James McAvoy, Kerry Washington, 123 Min. Start: 15.3.
Preview: 9.3., Off-Broadway, 21 Uhr, OmU.