»Aktuelle Siedlungsprojekte öden mich an«
Herr Beste, 50 Jahre Kölner Architekturpreis (KAP), 250 Preisträger. Welche Auszeichnung verstehen Sie heute nicht mehr?
Da gibt es einiges aus der Zeit der Autogerechten Stadt. Das inzwischen abgerissene Parkhaus an der Cäcilienstraße hatte eine brutalistische Haltung, die man gestalterisch interessant finden kann. Doch an dieser Stelle ein Parkhaus mit Tankstelle in die Stadt zu zwiebeln, entspricht nicht mehr unserer Auffassung von Urbanität und Zusammenleben.
Inwieweit folgt architektonischer Stil und damit auch der Kölner Architekturpreis dem Zeitgeschmack?
Der KAP ist eine Blitzlichtaufnahme des baukulturellen Geschehens, behaftet mit dem Potenzial der Zeitverbundenheit und des Irrens. Die Aufgabe des Preises ist, Qualität aufzuspüren und für Qualitätssteigerung zu sorgen. Die Idee hinter dem KAP ist also erstens eine baukulturelle, zweitens eine bürgerschaftliche, weil er getragen wird vom Deutschen Werkbund, dem Architektur Forum Rheinland, dem Kölnischen Kunstverein und dem BDA Köln. Und drittens ist der KAP ein Ehrenpreis, weil es kein Preisgeld gibt.
Der KAP wurde wie viele Architekturpreise in den 60er Jahren ins Leben gerufen, als mit dem massenhaften Wohnungsbau die Qualität verloren ging. Sind wir heute in einer ähnlichen Situation?
Der KAP ist zur Steigerung der Bauqualität extrem wichtig. Dazu tragen aber auch der Denkmalschutz, der Gestaltungsbeirat einer Stadt sowie Wettbewerbe und Planungswerkstätten bei. Der Preis kann aber nur ein Anreiz sein, wenn er auch von der Stadtgesellschaft diskutiert wird.
Die Bürgerschaft tut sich schwer mit zeitgenössischer Architektur, das hat die Debatte um die Historische Mitte gezeigt. Was kann der KAP da leisten?
Er wird sowohl dem Architekten und dem Bauherrn verliehen. Ich finde selbst für den größten Schrott, den ich bauen will, immer einen Architekten. Nicht nur der Architekt, auch der Bauherr braucht also Qualitätsbewusstsein.
Das beantwortet nicht die Frage nach der Bürgerschaft. Wie wär’s mit einem KAP-Publikumspreis? Oder der »Goldenen Dämmplatte« für den hässlichsten Neubau?
Die Ideen finde ich spannend, auch um das bürgerschaftliche Profil des Preises zu stärken. Beim ersten KAP konnte 1967 noch die Bürgerschaft Vorschläge machen, die dann von der Jury diskutiert wurden. Das funktioniert heute leider nicht mehr, weil die Finanzierung das nicht hergibt.
Der KAP hat in zwölf Durchgängen fast 250 Bauten ausgezeichnet. Geht es da nicht eher um eine breite Spitze als um Bauten, die Maßstäbe setzen?
Es sollen allen Typologien des Bauens — Wohnungsbau, Gewerbebau oder auch öffentliche Bauten — Qualitätsstandards aufgezeigt werden. Wichtig ist, dass auch technische Bauten wie Brücken oder Pumpwerke regelmäßig prämiert werden. Wenn man sieht, wie die Deutsche Bahn derzeit historische Brücken erneuert, dann erkennt man, welche Fallhöhe da drinsteckt.
Der KAP ging bisher fast ausschließlich an Kölner Architekten. Zeigt das, wie wenig international diese Stadt ist?
Das könnte ein Hinweis darauf sein. Man kann auch darüber diskutieren, wie zweit- oder drittklassig internationale Architekten werden können, wenn sie in Köln bauen. Das gilt zum Beispiel für Norman Foster [Gerling Ring-Karree am Friesenplatz; Anm.] oder Jean Nouvel [Kölnturm am Mediapark; Anm.], nicht jedoch für Peter Zumthor und Kolumba. Auch das kann jeweils etwas mit Bauherren zu tun haben.
Kann der Binnenblick auch eine Qualität sein?
In den Wiederaufbaujahren hat sich eine Kölner Spielart der Gestaltung herausgebildet, die häufig ausgezeichnet wurde und die mir nicht unsympathisch ist. Ich meine Architekten wie Böhm, Schwarz, Schilling, Schaller oder Steffann, der etwa St. Laurentius in Lindenthal gebaut hat. All jene haben eher zurückhaltend und mit einfachen Materialien gearbeitet und sich stark mit Künstlern vernetzt. Das ist eine Spezialität, die aus dem Bürgerschaftlichen und der Mittelalterlichkeit der Stadt heraus gewachsen ist und weit nach NRW ausgestrahlt hat.
Es wurden kaum große Wohnungsbauprojekte ausgezeichnet. Bräuchte man angesichts dessen, was gerade im Kölner Süden gebaut wird, nicht dringend qualitätvolle Vorbilder?
Die meisten aktuellen Siedlungsprojekte, in allen Preissegmenten, öden mich fürchterlich an. Die mangelnde Qualität hat ihren Grund in den Marktstrukturen. Es gibt keine Veranlassung, großformatige Flächen ausschließlich an große Investoren zu vergeben. Der KAP hat etwa 2014 die Baugruppe des Kinderheimgeländes in Sülz ausgezeichnet. Es macht natürlich Mühe, sich einen solchen Städtebau zu überlegen, der bis in die Parzelle hineingeht und der kleinteilige Eigentumsstrukturen auch in der Gestaltung ermöglicht. Ein kleinteiligeres Investment würde aber auch für eine vielfältigere soziale Mischung eines Quartiers sorgen.