Auch an der Kundenansprache ließe sich noch feilen: Ankündigung des Live-Streamings aus dem Kölner Stadtrat, Foto: Dörthe Boxberg

Kölle offline

Das Live-Streaming aus dem Kölner Rat sollte für Transparenz sorgen — aber dafür fehlt ein Archiv. Viele Ratspolitiker wollen das nicht

Würde hinter »RatsTV« ein gewinnorientiertes Medienunternehmen stehen, dann wäre das Live-Streaming aus den Kölner Ratssitzungen längst eingestellt worden. Seit Dezember 2013 werden Aufnahmen aus dem Ratssaal übers Internet gesendet, zum Straßenfeger haben sie sich nicht entwickelt. Die Zuschauerzahlen sind meist dreistellig, die Verweildauer liegt bei wenigen Minuten. Was das über Notwendigkeit und Nutzen des »RatsTV« aussagt, darüber gibt es in der Kölner Politik verschiedene Auffassung. Dahinter steckt auch ein grundsätzlicher Unterschied im Verständnis von öffentlicher Teilhabe an politischen Prozessen.

 

»Live-Streaming ist eine zeitgemäße Form, um Transparenz und Öffentlichkeit herzustellen«, erklärt Thor Zimmermann (Die Guten). »Bürger sollen nicht nur die Ergebnisse von Politik sehen, sondern auch ihre Entstehung.« Das Ratsmitglied ist ein Fürsprecher der ersten Stunde. Dass die Nachfrage nach dem Stream dürftig ist, lässt ihn nicht an der Idee zweifeln — sondern an der Umsetzung. Die möchte er verbessern. Bisher ist das Angebot, für das die Stadt jährlich 23.000 Euro an einen externen Dienstleister zahlt, dürftig: Zwei Kameras sind starr auf Rednerpult und Sitzungsleitung gerichtet, weiteren Service gibt es keinen, ein Archiv auch nicht. Zudem ist die Technik wacklig. Deshalb hatten Deine Freunde, für die Thor ­Zimmermann vor der Abspaltung der Guten im Rat saß, vor einem Jahr der Verwaltung einen Prüfantrag erteilt. Seit November liegen die Ideen der Verwaltung zur Weiter­entwicklung des Streams vor — beschlossen worden ist noch nichts.

 

An entscheidender Stelle gehen in der Politik die Meinungen auseinander: bei der Archivierung. »Das ist der eigentliche Clou«, sagt Zimmermann. Der Nutzen des aktuellen Angebots sei gering. Wer die Sitzungen verfolgen möchte, muss an einem Werktag nachmittags etliche Stunden aufbringen. Weil es keinen Zeitplan gibt, könne man sich nicht einmal gezielt Inhalte zu einer festen Uhrzeit anschauen. Ein »verqueres Verständnis von Partizipation« nennt Zimmermann das. Man biete einen vermeintlichen Service an, nehme aber gleichgültig hin, dass ihn kaum jemand nutzen könne.

 

Die Gute Wählergruppe Köln hat deshalb mit den Piraten einen eigenen Antrag in die Februar-Ratssitzung eingebracht. Der wurde zur Vorberatung in den Ausschuss für Verwaltung und Rechtsfragen geschoben. Eine rechtliche Prüfung braucht es aber gar nicht: Nach Kommunalverfassungsrecht gibt es kein entsprechendes Verbot. Sind alle Anwesenden einverstanden, ist eine Archivierung problemlos. »Wir bauen schon goldene Brücken«, sagt Thomas Hegenbarth, Sprecher der Piraten im Rat. »Wenn jemand das möchte, werden die Kameras ausgeschaltet.« Zudem könnte sich Hegenbarth mit einer temporären Archivierung anfreunden. Das Problem liegt, glaubt Thor Zimmermann, woanders: »Das Interesse, die Ratspolitik transparent zu machen, ist bei vielen nicht groß.«

 

Die großen Fraktionen werden sich gegen ein Onlinearchiv aussprechen. CDU, SPD und Grüne haben Bedenken. »Ratspolitiker sind keine Polit-Profis, sondern zumeist Ehrenamtler. Nicht alle fühlen sich wohl mit dem Gedanken, im Internet zu landen«, sagt Grünen-Geschäftsführer Jörg Frank. Auch gebe es in seiner Fraktion »den Vorbehalt, das Material könne durch Rechtsextreme aus dem Kontext gerissen und missbraucht werden.« Frank persönlich stört vielmehr die Kosten-Nutzen-Rechnung. »Das Angebot ergibt nur Sinn, wenn man es professionell aufbereitet«, sagt er. Das aber wäre für den bescheidenen Ertrag zu teuer. Denn wer das Format derzeit vor allem nutze, dazu hat Frank eine Vermutung: Angehörige der Ratsmitglieder. »Früher konnte man schon mal sagen: Die Sitzung geht lange, es wird später. Jetzt heißt es: Ihr wart doch um neun Uhr fertig.«