Spaßmachen und Scheitern

Thomas Jonigk räumt in Ansichten eines Clowns mit dem Spaßmacher-Unwesen auf

»Ansichten eines Clowns« von Heinrich Böll erschien 1963, damals sorgte der Roman  für große Kontroversen. Es war unbequeme, weil anklagende Literatur für die Elterngeneration, welche die Jahre der Nazidiktatur und ihre eigene Rolle darin vergessen wollte. Protagonist Hans Schnier bricht mit seiner reichen Familie und wird Clown. Mit der schönen Marie findet er sein privates Glück. Als diese ihn verlässt, um sich dem Glauben zuzuwenden, bricht seine Welt zusammen.

 

Es ist ein zeitgeschichtlicher Stoff, Regisseur Thomas Jonigk arbeitet in seiner Theaterfassung andere Fragestellungen heraus. Durch die Besetzung des jungen Clowns mit Jörg Ratjen, einem deutlich älteren Schauspieler, was die Inszenierung immer wieder ironisch aufgreift, wirkt der Stoff wie eine Geschichte aus einem Tagebuch. Ein älterer Mann erinnert sich. Rätjen Figur ist in dieser Inszenierung nicht wie in der Romanvorlage ein romantischer Held, der sich gegen eine verkrustete selbstgerechte Gesellschaft zur Wehr setzt und unterliegt. Viel mehr ist er selbst derjenige, dessen Selbstgerechtigkeit seziert, der als gescheiterte Person vorgeführt wird, die sich nicht mehr entwickelt und versackt.

 

In einem großen Holzkasten auf der Bühne von Lisa Däßler befindet sich ein spießig eingerichtetes Wohnzimmer. Hans Schniers Bett steht davor. Hier wütet er als Außenseiter, Kritiker und im Liebeskummer Ertrinkender. Jonigk spielt in diesem Bild von Innen und Außen die verschiedenen Konstellationen zwischen den Figuren durch. Mal distanziert von der Bühne herab mit dem Clown redend, mal in dem Versuch sich anzunähern. Die Szenen, die Jonigk für seine Charakterdarstellung nutzt, folgen nicht streng chronologisch der Handlung des Romans. Manche Szenen werden wiederholt aufgegriffen und in unterschiedlichen Auslegungen gespielt. Etwa der Vorwurf, dass Schniers Eltern seine Schwester als Flak-Helfer in den letzten Kriegsmonaten an die Front geschickt haben, mal als hysterischer Streit etwa, mal als zärtliche Familienzusammenführung.

 

Die ganze Inszenierung ist immer wieder durchsetzt mit kleinen Clownerie-Einlagen, die den eher tragischen Stoff absurd auflockern. Eine klare und direkte Inszenierung, die mit wenig Aufwand eine historische Romanvorlage pointiert umdeutet.

 

»Ansichten eines Clowns«,
A: Heinrich Böll, R: Thomas Jonigk,
5., 7., 26.4., Depot 2, 20 Uhr