Tafelrunde der Lobbyisten

Der nächste Kulturentwicklungsplan offenbart ein erstaunliches Kulturverständnis

 

 

Die Planwirtschaft ist in vollem Gang. Das Erbe der DDR scheint gesichert. Dank gebührt unseren Kulturfunktionären, die seit etwa zehn Jahren zum Wohl der werktätigen Künstler republikweit an Kulturentwicklungsplänen arbeiten. Nach Jahrzehnten verantwortungsloser Wurstelei wird Inventur gemacht: Was ist da? Was muss kommen? Was kann weg? (Weg? Kultur kennt nur Zuwachs!) Dahinter steckt die vermeintliche Erkenntnis, dass kulturelle Planung beim Wettbewerb der Städte, beim demografischen Wandel und bei der Profilierung des städtischen Leitbilds helfen könne. So bekam Köln 2009 seinen ersten Kulturentwicklungsplan, den aber — Stichwort: Finanzierungsvorbehalt — niemand ernst nahm. Fortgeschrieben wird er trotzdem. Das kölsche Ministerium für Planung setzt sich aus den Funktionären des Kulturdezernats, der Parteien und der Lobbygruppen zusammen. Sie bilden den »Lenkungskreis« und tragen die Ergebnisse der »Runden Tische« zusammen. Wie es sich für den kölschen Sozialismus gehört, brauchte der Lenkungskreis fast ein Jahr, um sich auf ein Verfahren zu einigen. Zehn Tische soll es geben: Theater, Musik, Bildende Kunst, Tanz, Literatur, Film / Medien, Pop- / Clubkultur, Interdisziplinäre Kunst, Gedächtnis der Stadt / Museen, Partizipation / Teilhabe. Darin spiegelt sich nicht nur ein Kulturbegriff, sondern auch nackter Funktionärs-Lobbyismus. Dass das Theater an die erste Stelle rückt, entspricht weniger seinem Stellenwert als dem Einfluss seiner Propagandisten. Deshalb bekommt auch der Tanz sein Wunschkonzert, trotz seiner Katzentisch-Bedeutung in Köln. Mit der zerstrittenen Sparte will eh niemand diskutieren. Echte Funktionärsqualität hat die Tafelrunde »Pop- / Clubkultur« — als Sammelcontainer für die Derivate des »cultural turn«, der inzwischen in den Niederungen des Lobbyismus’ angekommen ist. »Interdisziplinäre Kunst« und »Partizipation« zu planen, hätte sich wohl nicht mal die Plankommission der DDR getraut. Spannend ist, was fehlt: etwa Architektur, die offenbar nicht als Kultur gilt. Im alten Plan wurde sie als retrospektive Sparte unter »Gedächtnis der Stadt« subsumiert, zusammen mit Archiven und Denkmalschutz. Architektur in Köln ist nur der Dom. Dass Köln sich in den nächsten 30 Jahren städtebaulich verändern wird, dass keine Kunst derart prägend in den Alltag eingreift, hat sich noch nicht herumgesprochen. Skandalös ist auch die Unterschlagung des Designs. Köln beherbergt ein Designmuseum, zwei renommierte Hochschulen, Designpreise, Messen. Design in Köln ist wichtiger als Tanz oder Film in Köln. Auch wenn der Plan noch erarbeitet wird: An ihren Runden Tischen sollt ihr sie erkennen!