The Big Sick

Stand-up-Comedian Kumail Nanjiani spielt seine eigene Geschichte in einer der besten US-Komödien des Jahres

Auf den ersten Blick könnte man »The Big Sick« für die Antwort des Kinos auf den jüngsten Boom autobiografischer Sitcoms halten. Wie Danny Glover in »Atlanta«, Aziz Ansari in »Master of None«, Pamela Adlon in »Better Things« oder, vielleicht als Auslöser der Welle, Louis C.K. in »Louie«, versucht auch Kumail Nanjiani, der Hauptdarsteller in Michael Showalters Film, gar nicht erst zu verstecken, dass er eine nur oberflächlich fiktionalisierte Version seiner selbst verkörpert: Der pakistanischstämmige Stand-up-Comedian Kumail Nanjiani spielt den pakistanischstämmigen Stand-up-Comedian Kumail, der sich gezwungen sieht, zwischen seinem säkular-amerikanisierten Alltagsleben, seiner religiös-traditionell geprägten Familie und einer sich bislang wenig glamourös anfühlenden Showbiz-Karriere zu navigieren.

 

In erster Linie geht es aber darum, eine Beziehung nachzuerzählen. Nanjiani hat das Drehbuch gemeinsam mit seiner Frau Emily V. Gordon verfasst. Der Film zeigt, wie Kumail (der sich überzeugend selbst spielt) nach einem Auftritt Emily (etwas übereifrig: Zoe Kazan) kennenlernt. Die Beziehung funktioniert erst gut, droht dann aber daran zu scheitern, dass Kumails Eltern keine nicht-pakistanische Partnerin akzeptieren. Bald schlägt zudem das Schicksal zu und der Film ist hinfort nicht wiederzuerkennen.

 

Showalter und Produzent Judd Apatow lassen den melodramatischen Affekt recht schamlos in eine vorher entspannt vor sich hin plätschernde Erzählung übers urbane Dating-Leben hineinplatzen. Doch zugleich wird »The Big Sick« auch deutlich komischer — vor allem, weil aus heiterem Himmel Emilys Eltern auftauchen. Holly Hunter versucht sich an einer hübsch hysterischen Isabelle-Huppert-Mimikry; vor allem aber bewirbt sich Ray Romano nachdrücklich für eine tragende Rolle in Apatows Komödien-Universum. Seine Performance als von der Welt chronisch überforderter, aber diese Überforderung in sturer Gleichmut hinnehmender Bart-träger Terry kann weder drama-turgisch noch identitätspolitisch dingfest gemacht werden. Romano ist ein Widerstand, der dem Film gut tut.

 

Das Stand-up-Comedy-Milieu, das zunächst viel Raum im Film einnimmt, ist letztlich gar nicht so wichtig für »The Big Sick«. Aber es ist schön beobachtet, auch in seinen ernüchternden Aspekten: vor allem dem Zwang zur ewigen Wiederholung — erst auf der Bühne, dann hinterher bei den Aufreißversuchen an der Bar. Chicago, der Schauplatz des Films, ist Stand-up-Provinz, eigentlich wollen alle, die hier auftreten, so schnell wie möglich weg. Ein Journalist, dem Kontakte zum einflussreichen »Just For Laughs«-Festival in Toronto hat, wird von jungen Komikern fast wie von einem Hofstaat umschwirrt.

 

Eine schöne Szene dreht sich um einen »heckler«. Das sind jene unangenehmen Zeitgenossen, die während der Shows mal beleidigend, mal einfach nur störend losquatschen. In »The Big Sick« ist es ein Rassist, der es für nötig befindet, einen Stand-up-Comedian südasiatischer Herkunft als Terroristen zu bezeichnen. Warum? »Weil du so aussiehst.« Ihm wird sofort und rabiat Paroli geboten — von einer Frau mittleren Alters, die den Zwischenrufer so lange zur Schnecke macht, bis der sich am liebsten in Luft auflösen würde.

 

In einer idealen liberalen Gesellschaft, wäre ein Rassist vielleicht tatsächlich einfach nur ein »heckler«: einer, der sich das Recht herausnimmt, sich aufgrund von Ignoranz und Privilegiertheit über Regeln hinwegzusetzen, die zum Wohl aller aufgestellt wurden; einer, der impertinent durch die Gegend brüllt, wenn seine Meinung nicht gefragt ist; einer, der nervt, der aber im Zweifelsfall auch schnell isoliert werden kann.