Good Time
So verrottet und unbewohnbar wie in diesem dreckverkrusteten Gossen-Noir sah New York seit den Tagen von Abel Ferraras »Ms. 45« (1981) oder William Lustigs »Maniac« (1980) nicht mehr aus. Dies ist nicht die Hauptstadt der Welt, sondern die Welthauptstadt der low lifes, der Psychopathen, Ganoven und Neurotiker, in der sich ein skrupelloser Windhund wie der Kleinkriminelle Connie (Robert Pattinson) pudelwohl fühlt. Dass Loyalität und Verlässlichkeit sein Ding nicht sind, sieht man ihm schnell an — und kann seinen Blick doch nicht abwenden von der verschlagenen Großstadthyäne, die sich lediglich seinem geistig behinderten Bruder Nick (Co-Regisseur Ben Safdie) verpflichtet fühlt. Statt ihn jedoch psychiatrischer Obhut zu überlassen, klammert er sich an sein familiäres Überbleibsel und reißt ihn mit in den Strudel krummer Dinger und riskanter Coups. Als der simple Riese Nick schließlich hinter Gittern landet, verliert Connie den letzten Halt.
Immer fiebriger peitscht der nervöse Elektroscore von Oneohtrix Point Never die ohnehin angespannte Stimmung weiter über den Rand des Nervenzusammenbruchs hinaus. Connie mag schon zu Beginn kein kriminelles Mastermind gewesen sein, doch seine Pläne zur Geldbeschaffung und Befreiung seines Bruders werden immer haarsträubender. Dennoch kann man nicht anders, als seine schiere Beharrlichkeit zu bewundern und dem Getriebenen gebannt bei seinem freien Fall beizuwohnen. An Nicolas Winding Refns »Pusher«-Trilogie erinnert die atemlose Hysterie, mit der er jedes Leben ruiniert, das seinen Weg kreuzt — das einer labilen -Sugarmama (Jennifer Jason Leigh), eines einsamen Backfischs (Taliah Webster), eines verkaterten Acid-Heads (Buddy Duress) und eines somalischen Nachtwächters (Barkhad Abdi). Man kann nur hoffen, dass den vor und hinter der Kamera aktiven Safdie-Geschwistern ein ähnlich furioser Aufstieg bevorsteht wie Refn.
Dass sie ein Händchen für packende Loner-Balladen haben und ihre Antihelden zu sehr respektieren, um sie auf vermeintliche Liebenswürdigkeit hin zu konzipieren, wissen Fans nicht erst seit ihrem 2014er Suchtdrama »Heaven Knows What«. Die Teilchenbeschleunigung eines treibenden Genre-Plots, der die Figuren immerzu in panischer Bewegung hält, auf jeden Schritt drei Probleme und jede Lösung fünf weitere Stolpersteine legt, treibt die Intensität in lichte Höhen. Dass der Absturz kommen muss, ist klar. Dass gerade in Momenten innerer und äußerer Kapitulation eine ungeahnte Zärtlichkeit liegt, überrascht dann aber doch.