»Es gibt kein schlechtes Kölsch«

Warum sind die Kölner so stolz auf ihr Bier? Brauchen wir Mixgetränke, um die Brauereien zu retten? Und warum wird auf Karnevalssitzungen Wein getrunken? Thomas Goebel hat den Kölschexperten und Stadtführer Detlef Rick gefragt.

StadtRevue: »Der Kölner an sich verreist ungern«, heißt es in einer Werbung neben einem frisch gezapften Kölsch. Herr Rick, können Sie erklären, warum Kölsch so wichtig ist für die Kölner Identität?

Detlef Rick: Kölsch ist die einzige Sprache, die man trinken kann – oder wie es in den Liedern heißt: »Kölle is en Geföhl«. Das beschreibt gut, warum man sich mit diesem leckeren, obergärigen Bier so stark identifiziert.

Weil die Köln-Liebe der Kölner insgesamt so stark ist?

Genau, man identifiziert sich mit der Stadt und der Lebensart hier, und dazu gehört eben das Stängelchen Kölsch. Gut, die Düsseldorfer haben ihr Alt, und ich denke, die haben ähnliche Gefühle. Ich sage es ungern, aber Kölsch und Alt sind Geschwisterbiere: Der Düsseldorfer oder Niederrheiner sitzt eben gerne bei seinem Alt, und der Kölner bei seinem hellen Kölsch. Das Kölsch ist aber auch ein Getränk, mit dem man sich absetzen kann, zum Beispiel gegen­über der Eifel, dem Westerwald oder dem Sauerland, die ja eher für Pils stehen.

Vor fünfzig Jahren war Kölsch noch nicht besonders populär.

Die Verstärkung durch den Karneval spielt eine große Rolle. Der Karneval wurde immer wichtiger für die Kölner, und die Massen kamen, auch aus dem Umland. Mit der Zeit wurde es Kult, Kölsch zu trinken. Die Stangen sind ja auch prädestiniert dafür, schnell ausgeschenkt zu werden, die Köbesse sind direkt da mit ihren Kränzen, und dann läuft das.

Im Kneipenkarneval schon – aber im Sitzungskarneval wird Wein getrunken...

Das ist das Traurige, man trinkt dort Wein, weil man die Sache in einem festlichen Rahmen begehen will und weil man Angst hat, dass die Leute sich besaufen... Aber es gibt mittlerweile auch Sitzungen, wo man Kölsch kriegt.

Steht diese starke Köln-Fixierung für ein großstädtisches Image von Kölsch – oder hat das nicht eher etwas Provinzielles?

Kölsch könnte eigentlich ein viel größeres Absatzgebiet haben, es ist ein fruchtigeres Bier, das gerne auch von Weintrinkern getrunken wird. Ich habe einige Zeit in Hessen gelebt, da hatte ich auch immer meinen Kasten Kölsch dabei – so wie ich mir jetzt aus Hessen die Wurst hole ...

Die Brauereien achten ja sehr genau darauf, dass Kölsch als lokale Marke erhalten bleibt, die »Kölsch-Konvention« schreibt sogar die Form der Gläsern fest. Ist das, bei aller Liebe, nicht etwas übertrieben?

Mir schmeckt das Kölsch auch am Besten aus der Nullzwei-Stange – die ist für mich persönlich das Maß aller Dinge. Deshalb finde ich das nicht schlimm. Es ist vielleicht ein bisschen engstirnig, aber eben auch eine klare Sache: Wenn da so ein Stängelchen steht, dann ist da auch Kölsch drin. Insofern ist das Glas auch ein Image- und ein Gefühlsträger.

Wie sieht es denn bei den populären Mixgetränken aus: Bier mit Koffein, Bier mit Orangengeschmack – gibt es das demnächst auch mit Kölsch?

Mixgetränke mit Bier mag ich persönlich gar nicht, Kölsch-Cola zum Beispiel finde ich grausam. Andererseits werden jüngere Generationen so an das Bier herangebracht und die Brauereien können überleben. Die Kölner machen das bisher noch nicht, aber wenn der Kölschabsatz sinkt, muss man sicher auch in diese Richtung überlegen – obwohl ich das nicht gerne tue.

A propos Jugend: Derzeit läuft die Diskussion um »Koma-Saufen«. Ist es da nicht ein komisches Gefühl, über »Kölsch-Kultur« zu diskutiert, so wie wir gerade?

Ich mache auch Brauhaus-Führungen mit Jugendlichen, zum Beispiel für Berufsschulen. Da wird natürlich die Problematik Alkoholismus angesprochen. Der gute Paracelsus hat schon gesagt: Die Dosis macht das Gift. Kölsch in Maßen ist in Ordnung – aber Kölsch in Massen, Komatrinken mit Kölsch, das ist traurig. Das ist auch das Kölsch nicht wert.

Worauf achten Sie beim Kölschtrinken?

Mir persönlich ist wichtig, dass man beim Trinken die »Gardine« sehen kann – das sind die Schaumränder, die bei den einzelnen Schlucken im Glas entstehen. Das ist ein Zeichen, dass das Glas sauber und das Bier gut gezapft ist. Ich trinke zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten unterschiedliche Kölschmarken – es gibt kein schlechtes Kölsch. Wenn es frisch gezapft und kühl ist, dann ist das einfach toll, da kommt es nicht auf die Marke an.

Warum gibt es eigentlich einen solchen Kult um die vielen verschiedenen Kölsch-Sorten? Unser Blindtest hat ergeben, dass eigentlich alle ziemlich gleich schmecken...

Die Geschmacksvarianten sind bei Kölsch nicht so groß. Es ist leider so, dass eine große Marke einen möglichst breiten Geschmack abdeckt, und dem passen sich die Mitbewerber mit der Zeit an. Dadurch, dass die Konzentration auf dem Kölsch-Markt zunimmt, ist die Geschmacksvielfalt geringer geworden. Deshalb ist es gut, dass es kleinere Brauereien gibt wie Päffgen oder Malzmühle oder die ganz kleinen wie Hellers, Weißbräu am Weidenbach oder auch die Braustelle in Ehrenfeld.

Und wie sieht’s in zehn Jahren aus?

Ich kann mir vorstellen, dass es nur noch drei, vier große Brauereien gibt, die ökonomisch ausgelastet sind. Ich wünsche mir aber, dass von unten, von der Basis, daneben kleine Hausbrauereien nachwachsen.


Zur Person
Detlef Rick, 51, ist Theologe. Er macht Stadtführungen durch Kölner Brauhäuser und über den Melaten-Friedhof und hat zusammen mit Janus Fröhlich das Buch »Kölsch-Kultur« (Emons Verlag) geschrieben. Rick lebt in Köln, wo er auch geboren ist.



Fakten: Groß in der Nische
Nicht nur in der Herstellung, auch bei der Verbreitung beschränkt sich Kölsch fast auschließlich auf den Kölner Raum. Als Nischenbier ist es allerdings sehr präsent: In Köln selbst erreicht Kölsch eine hohe Verbreitung, sowohl in privaten Haushalten als auch in der Gastronomie.
2003 gelang den Kölsch-Brauereien ein lange ersehnter Triumph: Sie überholten ihre Altbier brauenden Kollegen. Seitdem ist Kölsch die Nummer zwei in Nordrhein-Westfalen – hinter dem souverän führenden Pils. Die rund dreißig Kölsch-Marken haben einen Ausstoß von etwa 2,5 Mio. Hektolitern im Jahr; insgesamt eine eher bescheidene Menge. Die meistverkaufte Biermarke in Deutschland, Krombacher Pils, produzierte im Jahr 2006 alleine fast doppelt soviel Bier wie alle Kölschbrauerein zusammen.
Bisher verzichten die kölschen Brauer weitgehend auf bunte Party-Biere oder ähnlichen Unsinn (vergleiche »Beck’s Level 7« mit Koffein) und beschränken sich auf ihre erfolgreichen Hauptmarken, die gelegentlich auch als Light-Version und alkoholfrei angeboten werden. Eine Besonderheit ist der hohe Fassbieranteil von Kölsch, der bei etwa fünfzig Prozent liegt. Er erklärt sich durch die große Bedeutung von Kneipen und Brauhäusern für den Kölsch-Konsum, aber auch durch die Beliebtheit kleiner, leicht anzuzapfender Fässchen (»Pittermännchen«) für den Ausschank in der heimischen Küche.


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