Manifesto
»›I loved the movie‹, I told Cate Blanchett. ›Is it a movie?‹, Cate Blanchett replied«. Diese Anekdote eines Festivalbesuchers, preisgegeben in einer Online-Filmcommunity, zeigt, was das Besondere an »Manifesto« ist. Vom Berliner Videokünstler Julian Rosefeldt zunächst für eine Ausstellung konzipiert, wurde aus mehreren Videoinstallationen schließlich ein zusammenhängender (Kino-)Film,, dessen Cast sich kurz liest: Cate Blanchett. Die australische Schauspielerin schlüpft in gleich 13 verschiedene Alter Egos: Sängerin, Obdachlose, Kunstagentin, Nachrichtensprecherin, Puppenspielerin. All diese Personae formulieren ihr eigenes Manifest, ihre Sicht auf die Welt.
Eine Narration ergibt sich nicht, vielmehr entsteht ein merkwürdiges Stück Poesie von 90 Minuten Länge, in dem gängige Sujets historischer Kunstmanifeste und heutiger Kulturphilosophie durchexerziert werden. Die Beschleunigung der Welt, das starre Festhalten an Rationalität und Logik trotz ständiger Veränderungen, die institutionelle Verkalkung der Kunst. Zu Beginn lässt Rosefeldt dutzende Namen von Philosophen, Politikern und Regisseuren durchs Bild rattern und ordnet damit seinen eigenen Diskurs. Bemerkenswert ist, dass sich »Manifesto« trotz seines Appells zur spontanen und lebendigen Verwirklichung der kunstvollen Existenz eine spürbare Sterilität bewahrt: Blanchett taktet die Monolog-Manifeste sekundengenau und die Kamera ist beweglich, aber präzise wie ein Uhrwerk. Und mit einem winterlich-grauen Setting gibt sich »Manifesto« den Anschein einer gewissen Kühle.
Die mannigfaltigen Aussagen müssen sich nachher im Kopf des Zuschauers erst einmal zusammensetzen. Ein Sinn ist ohnehin nicht garantiert, ganz wie in der hypermodernen und entleerten Welterfahrung, die Rosefeldt zu beschreiben versucht: Nichts ist, wie es scheint und nichts ist originär. Diese Formel bringt Blanchett gegen Ende des Films sogar einer Klasse Schulkinder bei — ein bisschen wie ein Beispielunterricht zum Thema Medienkompetenz.
Ist »Manifesto« nun Anstiftung zum Denken oder eher audiovisuelle Vorlesung? In jedem Fall belebt Rosefeldt mit seinem Sprung ins Kino das Genre des Essayfilms. »Manifesto« erinnert an Chris Markers stilbildenden Filme, insbesondere den enigmatischen »Sans Soleil« (1983). Auch über »Manifesto« lässt sich kein wirklich abschließendes, objektivierbares Urteil treffen, denn das trifft — wie auch Blanchett alias Rosefeldt an einer Stelle andeutet — schließlich jeder einzelne Zuschauer selbst.
Manifesto D/AU 2015, R: Julian Rosefeldt, D: Cate Blanchett, 98 Min. Start: 23.11.