Der kleine Giftberg
Die Zeit drängt! Wenn nicht bald eine Station für Rettungshubschrauber auf dem Kalkberg gebaut wird, sind Menschenleben in Gefahr. Wer gegen den Standort protestiert, handelt verantwortungslos! So argumentierten der damalige Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD), der mit Feuerwehr-Chef Johannes Feyrer den Kalkberg als Standort vorschlug. Zwar handelt es sich bei dem Hügel an der Zoobrücke in Buchforst um die ehemalige Giftmüll-Deponie der Chemischen Fabrik Kalk. Aber für Kahlen und Feyrer war das kein Grund, daran zu zweifeln, dass es sich um die bestmögliche Lage für eine Hubschrauberstation handle. Das hatte bereits 2005 eine Untersuchung von knapp zwei Dutzend Orten ergeben. 2011 wurde die Entscheidung bestätigt, als noch einmal rund 20 Standorte bewertet wurden. Die Stadt kaufte die Halde.
Heute kann das niemand mehr glauben. Mitte 2015 sackte die Baustelle ab, Ende 2016 musste die Kuppe, die als Aussichtsplattform gedacht war, abgetragen werden, die ganze Deponie drohte abzurutschen. Doch bis heute gibt die Stadt den Kalkberg als Standort für die Hubschrauberstation nicht auf.
Ob die Station nun fertig gebaut wird oder nicht — um Gefahren abzuwenden, muss die Deponie ohnehin saniert werden. Diese Sanierung soll aber »nutzungsunabhängig« durchgeführt werden, »um bei einer späteren Entscheidung für oder gegen einen Weiterbau und eine Inbetriebnahme der Hubschrauberbetriebsstation die notwendige Flexibilität zu erhalten«. Boris Sieverts von der Bürgerinitiative Kalkberg findet das widersinnig: »Indem man den Erhalt der Hubschrauberstation zum integralen Ziel der Haldensanierung erklärt, wird die Sanierung ein einziges Himmelfahrtskommando, sowohl finanziell als auch in Punkto Umweltgefährdung und statische Sicherheit.« Die Sanierung dauert schon viel länger als geplant.
Hinzu kommt, dass die Hubschrauberstation mit Fördermitteln des Landes gebaut wurde. Bei einem Abriss müsste die Stadt das Geld zurückzahlen. Im vergangenen Dezember verklagte die Stadt nicht nur die Baufirmen, sondern auch ein Büro, das im Jahr 2013 ein Bodengutachten erstellte und dem Bau »nach Erfahrungswerten« sein Okay gab. Allerdings fand sich im Gutachten auch der Satz: »Wir weisen darauf hin, dass die nach den geltenden technischen Richtlinien geforderten Erkundungstiefen mit dem angewandten Aufschlussverfahren nicht erreicht werden konnten.« Das »angewandte Aufschlussverfahren« wiederum wurde von der Stadt definiert. Tiefer bohren wollten die Verantwortlichen nicht.
Da die Situation am Giftberg immer aussichtsloser erscheint, lässt die Politik drei Ausweich-stand-orte prüfen: den Flughafen in Porz, das Klinikum in Merheim und einen Flugplatz in Kurtekotten an der Stadtgrenze zu Leverkusen. Die BI Kalkberg fordert das seit Jahren und hatte bereits eine eigene Matrix mit möglichen Standorten vorgelegt.
Für Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, ist dieser im März erteilte Prüfauftrag der »Einstieg in den Ausstieg aus dem Standort Kalkberg«. Zusammen mit CDU und FDP weigern sich die Grünen jedoch, den Standort schon jetzt endgültig aufzugeben. Das hatten mehrfach Linke mit den Wählergruppen GUT und BUNT sowie den Freien Wählern gefordert. Stattdessen sollen jetzt noch mal die Arbeiten und Kosten ermittelt werden, die nötig wären, um die Hubschrauberstation auf dem Kalkberg »funktionstüchtig wiederherzustellen«.
»Es geht um die gesundheitliche Daseinsvorsorge für die Bevölkerung. Dem können und wollen wir uns nicht durch einen alternativlosen Ausstieg entziehen«, sagt Jörg Frank. Dieses Vorgehen entspreche der Kooperationsvereinbarung mit der CDU.
Boris Sieverts von der BI Kalkberg fürchtet, dass der Kalkberg nun doch wieder ins Spiel kommt. Er hatte gehofft, dass die Politik einen Schlussstrich zieht und die Verwaltung zum Aufgeben zwingt. »Guido Kahlen und die Feuerwehr wollten die Station gegen jede Vernunft auf dem Kalkberg haben.« Die Stadt habe vor den Ergebnissen des beanstandeten Gutachtens von 2013 wie auch eines älteren vom TÜV die Augen verschlossen. »Sie wollten das Risiko nicht sehen oder haben es in Kauf genommen.«
Noch immer führe die Verwaltung ins Feld, wieviel Bauarbeiten und Sanierung schon gekostet hätten. »Aber entscheidend ist doch, welche Kosten in Zukunft am Kalkberg noch auf uns zu kommen! Ganz abgesehen von Aspekten wie Sicherheit und Gesundheit«, sagt Sieverts. Denn der Kalkberg erzeugt noch andere Probleme. Die Stadt entnimmt regelmäßig Grundwasserproben. Schon vor zwei Jahren stellte sie fest, dass Schadstoffe ins Grundwasser sickern. Im April wurde bekannt, dass das Problem noch größer geworden ist. Die »Geringfügigkeitsschwelle« wird um das Siebenfache überschritten. Die Verwaltung hat aber keine Bedenken: Grundwassernutzung in der Nähe des Kalkbergs sei nicht bekannt.
Derzeit werden die Einsätze des Rettungshubschraubers »Christoph 3« vom Flughafen in Porz aus geflogen. Die Lage dort sei ungünstig, wiederholte die Feuerwehr immer wieder. Jedoch bezog sie sich bei ihrer Beurteilung nur auf das Kölner Stadtgebiet. Dabei ist das Einsatzgebiet viel größer. »Das wurde verschwiegen«, sagt Sieverts. »Legt man aber das eigentliche Einsatzgebiet zugrunde, ist Köln/Bonn perfekt gelegen.« Das Provisorium am Flughafen hält seit Jahren. Die dortige »Baugrundtragfähigkeit« bewertet die Verwaltung als »uneingeschränkt positiv«.